MOTOR-EXCLUSIVE

Alexandra Felts/SP-X - 27. April 2015, 15:22 Uhr SPECIALS

Porsche GTS Experience auf der Targa Florio - Sizilianische Vesper

Sie ist die große alte Dame des Motorsports und mit fast 110 Jahren kein bisschen Weise. Porsche errang auf den legendär schweren Straßen im Hinterland von Palermo einige der größten Siege und benannte ein berühmtes Modell nach dieser Targa. Jetzt kehrte die GTS-Familie zu einem kleinen, feinen Stelldichein zurück.

Manchmal kann der Genuss von Likörwein den Motorsport tatsächlich beflügeln. Der aristokratische Unternehmer Vincenzo Florio verdiente mit dem Export des würzigen Marsala nicht nur viel Geld, er verliebte sich noch dazu in den sehr jungen Motorsport. Im Jahr 1906 war es dann soweit: Unter seiner Schirmherrschaft fiel der Startschuss zu einem Rennen rund um die Berge der Madonie, die den angereisten Herrenfahrern in ihren tollkühnen Kisten alles abverlangt haben muss. Fünfzig Jahre später gewinnt Porsche mit dem 550 A Spyder zum ersten Mal die Targa Florio auf Sizilien und tauft später das Modell mit dem herausnehmbaren Dach nach dieser Mutter aller Langstreckenrennen. Mit dem 904 Carrera GTS von Ferdinand Alexander Porsche fährt dann 1964 ein Vorfahr als Erster an der Zielfahne vorbei, dessen drei Buchstaben in einer aktuellen Porsche-Familie weiterleben.

Rund 80 Kilometer trennen Palermo von Cerda. Am Steuer des neuen Targa 4 GTS ist die Fahrt zu dem unscheinbaren Dorf vor den Erhebungen der Madonie eine komfortable und genussvolle Reise zurück in die Geschichte. Der Porsche mit dem charakteristischen Dachholm feiert seinen 50. Geburtstag, und als die Targa Florio noch als Sportwagenmeisterschaft ausgetragen wurde, fiel hinter Cerda  der Startschuss zu einem Langstreckenrennen bei dem die junge Marke sich die ersten Lorbeeren auf der Bühne des Motorsports sicherte. Porsche ließ nun die Nachfahren des Siegers von 1964 auf eine informelle Ausfahrt über die legendäre Urstrecke des Straßenrennens los. Mit dabei beim Familienausflug aktuelle Modelle, die ebenfalls wie der alte Rennwagen 904 das Emblem GTS im Namen führen: 911 Carrera, 911 Targa, Boxster, Cayman, Cayenne und Panamera.

Stille und der erste Duft von Frühlingskräutern umwehen heute einen Ort, der auf den Betrachter vergessen und melancholisch wirkt. Die Boxen in der alten Gasse sind winzig, seinerzeit hatte ein Rennstall wenig Rüstzeug dabei. Von dem riesigen Wandgemälde, das die ehemalige Tribüne ziert, blättert die Farbe. Aber das Bild ist immer noch ein Zeugnis von der Begeisterung der Italiener für den Motorsport mit Boliden, die dynamisch aus einer Kurve schießen und jubelnden Zuschauern am Straßenrand. In den Glanzzeiten zwischen den fünfziger und siebziger Jahren war die Targa Florio die Härteprüfung großer Marken wie Alfa Romeo, Mercedes-Benz und Ferrari. Fahrer wie Moss, Surtees und Siffert lieferten sich packende Duelle vor einem Millionenpublikum.

Wenn ein leistungsgesteigerter Panamera GTS seine 4,8 Liter Hubraum mit Energie flutet, pustet ein Fingerdruck auf die Sportgasanlage auch noch die letzte Wehmut weg. Eine fünf Meter lange Limousine wäre normalerweise nicht die erste Wahl für einen kurvensatten, schmalen Straßenmarathon, aber weil der Viertürer von Porsche irgendwie ein verlängerter Sportwagen ist, dürfte er der Herausforderung gewachsen sein, schließlich waren einige der Sportwagen-Pioniere, die vor dem Ersten Weltkrieg hier körperliche Schwerstarbeit leisteten, nicht viel kürzer.  Also: statt knackigen Sportwagen aus Zuffenhausen warum nicht die GTS-Limousine mit einem Radstand von knapp drei Metern für an die 1.000 Kurven und einen Höhenunterschied von 1.000 Metern?

Die Reise führt über die ursprüngliche Strecke von 148 Kilometern, die später allerdings auf die Hälfte verkürzt wurde. Von dem Startpunkt in Cerda jagten die Fahrer vor hundert Jahren zunächst nach Caltavuturo, Collesano bis nach Campofelice di Roccella. Während sich der Panamera mit gezügelten 440 PS (324 kW) mühelos grummelnd Richtung Berge schlängelt, kann man sich vorstellen, wie es hier in den Glanzzeiten von Fans wimmelte. Nicht nur die Strecke, die mehrfach am schnellsten befahren werden musste, stellte die Piloten vor eine Herausforderung. Heute betrachten Esel, Kühe und Ziegen interessiert die GTS-Flotte, die an ihnen vorbeizischt und für Abwechslung in der Beschaulichkeit sorgt. Damals bildeten die Zuschauer eine Art Leitplanke und wogten enthemmt in die Sträßchen hinein. Unvorstellbar, dass einst ein Rekorddurchschnitt von 148 km/h erreicht worden war. Auf der Buonfornello-Geraden direkt am Meer donnerten die Champions sogar mit 300 km/h zum erlittenen Sieg.

Von dem 90er-Schnitt, der mit dem 550 A Spyder 1956 erreicht wurde, kann heute keine Rede sein. Das Schild mit der Ziffer 20 in der Mitte ist kein Vorschlag, sondern eine Warnung. Die Targa Florio ist heute in einem schlechten Zustand. Bis 1977 wurden hier noch Sportwagenrennen gefahren, später wurden Rallyes abgehalten. Aufgeworfener Asphalt, Schlaglöcher, in denen bequem ein Dachs Platz fände, abgebrochene Schultern. Aber selbst im Sportplus-Modus wehrt sich der Panamera, die volle Härte dieser geschundenen Topografie abzubilden. Dennoch erhält die Wirbelsäule eine lebhafte Ahnung einstiger Strapazen.

Ein Rennen auf öffentlichen Straßen auszutragen, wurde bei der Targa Florio immer wörtlich aufgefasst. Die Strecke wurde nie gesperrt. Zu den entfesselten Tifosi durften sich Fahrer also auch auf Gegenverkehr gefasst machen.  Der Panamera macht sich mit knapp zwei Metern durchaus breit, aber natürlich kommt an einer ohnehin schmalen Passage immer ein schwankender Lkw entgegen, der allerdings anerkennend hubt. Man ist in Italien. Wie damals wuchern die Sträucher über den verschmierten Asphalt und gelber Ginster streichelt den roten Lack des Porsche im Vorbeifahren.  Die Bergdörfer, die entlang der Kette der Targa Florio liegen, kuscheln sich in die Hügel der Madonie und bieten damals wie heute die enggassige Kulisse für Fahrvergnügen. Der Panamera schleicht im vorsichtigen Schritttempo, um dünnen Hunden Vorfahrt zu lassen. Von den Balkonen hängt Wäsche, ältere Frauen und Männer in schwarz betrachten gelassen diesen roten Besucher aus einer geschäftigen, reichen Welt.

Umgeben von feinem Alcantara, umfasst von einem stützenden Sportsitz mit einer luxuriösen Auswahl an Fahrwerkseinstellungen und besagtem Schalter, um dem Sound eine böse Note zu verleihen, löst sich die Erinnerung an Schweiß, Leid, Rauchschwaden, Gummi- und Ölgestank auf wie die Mittagswolken über dem Mittelmeer. Im liebenswerten kleinen Museum in Collesano werden diese Momente noch heute konserviert. Wie alle in der GTS-Familie gehört auch der Panamera zu den letzten Säugetieren, die wie die siegreichen Vorgänger auf der Targa Florio nicht durch einen Turbo künstlich beatmet werden mussten. Als Reverenz an diese wohl irgendwann aussterbende Spezies sollte man sich vielleicht ein Gläschen Marsala genehmigen, natürlich Marke Florio.

Dieser Artikel aus der Kategorie SPECIALS wurde von Alexandra Felts/SP-X am 27.04.2015, 15:22 Uhr veröffentlicht.