MOTOR-EXCLUSIVE

Michael Kirchberger - 7. Dezember 2016, 15:03 Uhr SPECIALS

Ampelflüsterer: Audi meidet Rotlichter

Gas weg, ausrollen, Sprit sparen. Wer den wirklichen Willen zur Reduzierung des Verbrauchs seines Autos hat, kann viel mehr dazu beitragen, als er denkt. Vorausschauendes Fahren senkt den Konsum deutlich, ohne dass dabei viel Zeit verloren wird.

Gas weg, ausrollen, Sprit sparen. Wer den wirklichen Willen zur Reduzierung des Verbrauchs seines Autos hat, kann viel mehr dazu beitragen, als er denkt. Vorausschauendes Fahren senkt den Konsum deutlich, ohne dass dabei viel Zeit verloren wird.

Der "Ampelstart" ist einer der vielgebrauchten Begriffe bei der Beschreibung von Automobilen. Wer hier gut wegkommt, gehört zu den Siegern. Deshalb machen E-Mobile in der Stadt meist einen guten Eindruck beim Beschleunigen. Und deshalb kaufen auch viele Amerikaner gerne PS-starke Autos, trotz der Tempolimits fast im ganzen Land. Aber was bringt es außer vielleicht einem schwachen Charakter ein paar Funken mehr an Selbstbewusstsein, als erster vor dem nächsten roten Licht anzukommen. Zumindest einen deutlichen Mehrverbrauch im Vergleich zu jenen, die das Gaspedal nur sachte streicheln und trotzdem nur kaum zwei Sekunden später auf die nächste Kreuzung zurollen. Und dort gerade richtig beim Umschalten der Ampel ankommen, um ihre Fahrt ohne Bremsmanöver und mit Beständigkeit fortzusetzen.

Ein wenig Hilfe kann für Entspannung sorgen und gewiss auch die Eiligsten davon überzeugen, dass überzogene Sprints zwischen den Kreuzungen nichts bringen. Audi arbeitet schon seit mehreren Jahren daran, Ampeln und Autos zusammen zu bringen, sie miteinander kommunizieren zu lassen. Wer früher weiß, wann eine Ampel auf Rot oder Grün schaltet, fährt entspannter und effizienter. Deshalb hat der Autobauer bereits in mehreren Städten das Auto mit dem Verkehrsrechner verknüpft und sieht das langfristig als wichtigen Schritt zum autonomen Fahren. In Las Vegas ist gerade das jüngste Projekt gestartet, die Elektronik-Messe CES im Januar bietet eine gute Plattform, um reichlich Aufmerksamkeit dafür zu generieren.

"Erstmals tauschen unsere Autos in Echtzeit Daten mit der Verkehrsinfrastruktur aus. Der Fahrer kann sein Fahrverhalten situationsbedingt anpassen und ist im Stadtverkehr deutlich souveräner und entspannter unterwegs", sagt Andreas Reich, Leiter der Elektronikvorentwicklung bei Audi. "Wir steigern die Energieeffizienz, wenn wir unsere Audi-Modelle mit Smart Cities vernetzen. Weitere Car-to-X-Services werden folgen, die das Auto zum interaktiven Mobile Device machen. Am Ende dieser Entwicklung sehen wir das autonome Fahren."

Schon seit Juni 2016 zimmert Audi am Ampel-Projekt in Amerika: Seitdem werden alle für den US-Markt produzierten Audi A4 und Q7 mit dieser Funktion ausgestattet. In den Vereinigten Staaten sammelt der Projektpartner Traffic Technology Services TTS die Daten aus den verschiedenen, städtischen Verkehrsleitzentralen und bereitet sie auf, um sie in Echtzeit über 4G/LTE-Verbindungen an die Bordcomputer der Autos zu schicken.

Time-to-Green ist die erste Funktion des Programms. Im Cockpit oder dem Head-up-Display sieht der Fahrer, ob er im Rahmen der erlaubten Geschwindigkeit die nächste grüne Ampel erreicht. Gelingt das nicht, zeigt ihm ein Countdown die Zeit bis zur nächsten Grünphase - der Fahrer kann den Wagen rollen lassen. Dank dieser Information über die Ampelschaltung sind Autofahrer vorausschauender unterwegs, das haben Projekte in Europa bereits erwiesen. Bei einem Versuch in Berlin etwa konnte der Verkehrsfluss insgesamt positiv beeinflusst werden.

"In unseren Tests ist die Zahl der Autos, die im Verkehr bis zum Stillstand abbremsen müssen, um rund 20 Prozent gesunken. Dies schont das Zeitbudget der Fahrer und hat im Pilotprojekt etwa 15 Prozent Kraftstoff gespart", sagt Michael Zweck, Projektleiter Audi Ampelinformation. Nach der Startphase können auch Kunden anderer Marken die Entwicklungsarbeit von Audi nutzen.

Die Ampelinformation könnte in Zukunft auch mit intelligenter Navigation gekoppelt und für neue Antriebskonzepte genutzt werden. Die "Grünen Wellen" eine logische Verbindung der Grünphasen hintereinander liegender Lichtsignalanlagen, die Abbremsen oder gar Anhalten überflüssig machen, könnten in die optimale Routenführung einfließen. Elektrofahrzeuge könnten außerdem beim Ausrollen an der roten Ampel die Bremsenergie verstärkt zum Laden der Batterie nutzen.

Nach den Pilotprojekten in Berlin, Ingolstadt, Garmisch-Partenkirchen und Verona will Audi das Ampelprogramm auch in Europa aufbauen. Allein in Berlin waren rund 700 Ampeln im Innenstadtbereich an den Service angebunden. Allerdings fehlen einheitliche Datenstandards und digitale Infrastruktur: "In Europa ist sehr unterschiedliche Verkehrstechnik im Einsatz, da sich die Infrastruktur lokal und dezentral entwickelt hat. Wir arbeiten daran, die bereitgestellten Daten zu vereinheitlichen. Danach können wir Ampelinformation auch in Europa anbieten", kündigt Michael Zweck an.

Michael Kirchberger

Dieser Artikel aus der Kategorie SPECIALS wurde von Michael Kirchberger am 07.12.2016, 15:03 Uhr veröffentlicht.