MOTOR-EXCLUSIVE

Thomas Schneider - 21. Februar 2017, 13:22 Uhr AUTOMOBIL

VW Golf R Variant: Der große böse Golf

Der Golf ist ein Alpha-Tier: Das gilt nicht nur für die Verkaufszahlen des VW-Bestsellers aus Wolfsburg, sondern in der R-Variante auch für das Potenzial auf deutschen Autobahnen. Zwar bringt er nicht ganz das Überholprestige der Konzernkollegen mit Single-Frame-Haifischmaul mit, lässt aber so manche Herren der Ringe auf der linken Spur ganz schön alt aussehen.

Der Golf ist ein Alpha-Tier: Das gilt nicht nur für die Verkaufszahlen des VW-Bestsellers aus Wolfsburg, sondern in der R-Variante auch für das Potenzial auf deutschen Autobahnen. Zwar bringt er nicht ganz das Überholprestige der Konzernkollegen mit Single-Frame-Haifischmaul mit, lässt aber so manche Herren der Ringe auf der linken Spur ganz schön alt aussehen.

Tatort A3: Frühmorgens geht es bei frostigen Temperaturen aus dem Hessischen Richtung Nürnberg und danach weiter bis knapp vor die Grenze zu Österreich. Rund 500 Kilometer stehen bevor, und mit schon etwas schmerzendem verlängerten Rückgrat wird der zum Test bereitstehende Golf R Variant geentert. Was soll das nur werden, wird die Bandscheibe die Langstrecke im großen, bösen Golf schadlos überstehen? Antwort: Nicht nur das, der Sportwagen für die ganze Familie hat sogar "heilende Hände".

Gemeint sind natürlich die formidablen Sportsitze, die die Hüften des Fahrers eng umschließen und herrlich bequem sind. Nach rund 200 Kilometern auf der Piste zeigt die Wärmebehandlung in Kombination mit den Vibrationen - eine Art Fango-Packung mit Massage-Funktion - erste Wirkung. Der Zwischenstopp zum Treibstoff- und Kaffee-Tanken ist der unangenehmste Teil der Fahrt, und so geht es schleunigst wieder in das Therapie-Mobil.

Und der Innenraum besticht mit deutlich mehr als guten Sitzen. Die Bedienelemente sind samt und sonders sinnvoll angeordnet, die Materialwahl mit Alcantara und Klavierlack hochwertig und die Verarbeitung VW-typisch tadellos. Und praktisch ist die Kombi-Variante des Golf mit bis zu 1.620 Liter Stauvolumen ja ohnehin.

Doch kommen wir zu den Kerntugenden des Ober-Golfs, und die liegen im Antrieb und den Fahreigenschaften. Der 2,0-Liter-Turbobenziner leistet 221 kW/300 PS und 380 Newtonmeter maximales Drehmoment und bietet ohne Abstriche Kraft in jeder Lebenslage bzw. jedem Drehzahlbereich. In 5,1 Sekunden absolviert der "R" den Standard-Sprint auf 100 km/h und schafft maximal Tempo 250.

Auf der Autobahn macht dem äußerlich vergleichsweise moderat gestylten Obermotz der Baureihe so schnell keiner etwas vor. Reihenweise kleben auf der Fahrt gen Süden Drängler am Heck und machen trotz Geschwindigkeitsbegrenzung hartnäckig Druck. Doch dann kommt die ersehnte Aufhebung jeglicher Beschränkung - Deutschland ist ja für die halbe Welt gerade deshalb das gelobte Land der Autofahrer.

Also bildet das Alu-Gaspedal flux eine Ebene mit dem Fahrzeugboden und die dicken Limousinen und Mückenbrust-Sportwagen werden schnell zu Randerscheinungen im Rückspiegel. Man muss schon bei Buddha oder Gandhi in der Lehre gewesen sein, um das nicht hin und wieder auszunutzen und den Möchtegerns mit einem breiten Grinsen im Gesicht eine kleine Lektion zu erteilen.

Zur hohen Leistung des Golf R passt das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe wunderbar. Es schaltet im Normal- und Komfort-Modus relativ früh und fast unmerklich, im Sport-Modus dagegen wird das Drehzahlband ausgiebiger genutzt. Hat der Käufer das um 15 Millimeter niedrigere, adaptive Fahrwerk für rund 1.000 Euro als Sonderausstattung angekreuzt, reagieren auch die Dämpfer merklich straffer - allzeit bereit zur schnellen Kurvenhatz.

Dabei unterstützt dann auch der Allrad-Antrieb inklusive Haldex-Kupplung, die die Kraft zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt. Außerdem ist die elektronische Differenzialsperre "EDS" an Bord, die an beiden Achsen als Quersperre arbeitet: Verliert ein Rad an Haftung, leitet das 6-Gang-Doppelkupplungs-Getriebe die Kraft auf das gegenüberliegende Rad. Und "XDS+" bremst bei schneller Kurvenfahrt die kurveninneren Räder ab und erleichtert das Einlenken. Untersteuern haben die Ingenieure dem Golf in der R-Variante damit fast gänzlich abgewöhnt.

All das dient aber nicht nur dem Vergnügen, sondern bringt auch mehr Sicherheit. Das sollten Familienväter beim Austausch der Argumente mit der Gattin stets im Hinterkopf behalten. Mit dem Preis von mindestens 42.925 Euro für einen Kompakt-Sportler ist das erfahrungsgemäß etwas schwierig, aber immerhin: Der Golf R Variant bietet Leistung im Überfluss, bietet üppige Platzverhältnisse und sogar eine "Rückenschule" ist serienmäßig an Bord - und Gesundheit ist doch das Wichtigste im Leben.

Thomas Schneider / mid


Technische Daten VW Golf R Variant:
Fünftüriger Mittelklasse-Kombi mit fünf Sitzplätzen. Länge/Breite/Höhe/Radstand in Meter: 4,57/1,80/1,47/2,64, Ladevolumen: 605 l bis 1.620 l.
Antrieb: Vierzylinder-Benzinmotor mit Turbolader und Direkteinspritzung, Hubraum: 1.984 ccm, 221 kW/300 PS, max. Drehmoment: 380 Nm bei 1 800 - 5 500/min, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, 0-100 km/h: 5,1 s, Normverbrauch: 7,0 l Super Plus/100 km, CO2-Ausstoß: 164 g/km, Testverbrauch: 8,2 Liter/100 km, Leergewicht: 1 574 kg, Preis: ab 42.925 Euro.

Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Thomas Schneider am 21.02.2017, 13:22 Uhr veröffentlicht.