MOTOR-EXCLUSIVE

Thomas Schneider - 28. März 2017, 19:11 Uhr AUTOMOBIL

VW: Das Yin und Yang der neuen Golf-Truppe

eGolf und Golf R von VW kann man mit einiger Berechtigung als das Yin und Yang der automobilen Kompaktklasse bezeichnen: Auf der einen Seite der ''Saubermann'' der Baureihe mit emissionsfreiem, weil rein elektrischem Antrieb. Auf der anderen der 310-PS-Spitzensportler. Beide hat VW jetzt im Rahmen des Golf-Updates überarbeitet. Eine erste Testfahrt auf der beliebtesten Ferieninsel der Deutschen.

eGolf und Golf R von VW kann man mit einiger Berechtigung als das Yin und Yang der automobilen Kompaktklasse bezeichnen - also "polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte oder Prinzipien". Auf der einen Seite der "Saubermann" der Baureihe mit emissionsfreiem, weil rein elektrischem Antrieb. Auf der anderen der 310-PS-Spitzensportler, der so manchem Sportwagen auf der Autobahn seine vier Auspuff-Endrohre zeigt. Dennoch haben die Baureihen-Brüder natürlich viel gemeinsam. Beide Varianten des meistverkauften europäischen Autos hat VW jetzt im Rahmen des Golf-Updates überarbeitet - ebenso die beiden "Zwischenlösungen" GTI Performance und den Plug-in-Hybriden GTE.

Nach der Modellpflege nutzen künftig alle Gölfe standardmäßig LED-Scheinwerfer und Rückleuchten sowie eine neue Generation Infotainment-Systeme - in der Top-Version sogar mit Gestensteuerung. Eine Spielerei, zugegeben. Deutlich nützlicher im Alltagsbetrieb ist wohl das voll digitale Active Info-Display hinter dem Lenkrad, das sich ganz auf die Wünsche des Fahrers anpassen lässt. Etwa mit einer Navigationskarte zwischen den beiden Rundinstrumenten, die sich nochmals einzeln anpassen lassen - im neuen GTI Performance ist das Serie. Und der eGolf hat stets das Top-Infotainment-System Discover Pro an Bord, das zum Herumfuchteln vor dem Bildschirm einlädt.

Den eGolf angesichts seines Antriebes als "Ökoschaukel" zu bezeichnen, wird ihm in keinster Weise gerecht, das wird schon auf den ersten Kilometern der Testfahrt auf Mallorca mehr als deutlich. Der E-Antrieb mit nun 100 kW/136 PS und 290 Newtonmeter Drehmoment aus dem Stand - 25 PS und 20 Nm mehr als bisher - macht den Stromer im Geschwindigkeitsbereich bis 100 km/h zum wieselflinken Spielmobil. Bis auf Tempo 150 surrt der eGolf - zehn km/h mehr als bisher. Der Normverbrauch ist mit 12,7 kWh auf 100 Kilometer gleich geblieben.

Beim Ampelstart scharrt er etwas mit den vorderen Hufen und sorgt - obwohl Elektroautos in dieser Disziplin generell gut am Start sind - vielfach noch immer für verdutzte Blicke. Die Fahrt auf kurvenreichen Landstraßen wird wegen des souveränen Herausbeschleunigens fast zur Lustpartie, da sind die komfortablen Sitze mit viel Seitenhalt Gold wert. Und wer es ruhiger angehen lässt, kommt in den Genuss einer himmlischen Ruhe an Bord. Am lautesten sind noch die Abrollgeräusche, der Fahrer lernt im eGolf "leisen" Fahrbahnbelag erst richtig zu schätzen.

Neben dem Leistungsplus erhält der eGolf von 2017 außerdem eine deutlich größere Batterie mit 35,8 statt 24,2 kWh Kapazität, die mit 345 Kilo aber nur 25 Kilo schwerer ist. Das bringt eine von 190 auf 300 Kilometer gestiegene Norm-Reichweite, in der Praxis sollen es rund 200 Kilometer sein. Das klingt fast schon etwas nach Tiefstapelei, denn nach 100 sehr sportlich absolvierten Kilometern ist der Stromspeicher noch mehr als halb voll - mit etwas weniger Sportsgeist geht hier erfahrungsgemäß deutlich mehr.

Wer die Reichweite insbesondere im Winter optimieren möchte, kann für 950 Euro eine Wärmepumpe bestellen, die Heizung und Klimaanlage mit Strom versorgt. Das soll bei niedrigen Temperaturen bis zu 30 Prozent zusätzliche Reichweite bringen. Kostenlos erhalten Käufer dagegen in den ersten beiden Jahren nach dem Kauf einen aktuellen VW-Mietwagen für 30 Tage jährlich - quasi, um den Übergang zur E-Mobilität zu erleichtern. Apropos Preise: Der eGolf kostet ab 35.900 Euro.

Doch kommen wir zum Leitwolf der Golf-Truppe. Das "R" steht für "Racing", und daher präsentiert VW die Fähigkeiten des um zehn PS auf nun 228 kW/310 PS sowie maximal 400 statt 380 Newtonmeter erstarkten Allrad-Modells standesgemäß auf dem Circuito Mallorca. Mit dem überarbeiteten 7-Gang-Direktschaltgetriebe beschleunigt der Neue in 4,6 Sekunden von 0 auf Tempo 100 (6-Gang-Schalter: 5,1 s).

Der Testwagen hat alles an Bord, was beim R neu ist, bzw. neu erhältlich sein wird. So gibt es nun für stattliche 3.800 Euro eine Titan-Abgasanlage von Akrapovic, die einen noch infernalischeren Sound aus den vier Endrohren entlässt als im Serien-Trimm. Dazu eine Bremsanlage, die noch giftiger zupackt und zwei Kilo Gewicht spart. Außerdem ist ab Herbst ein Performance-Paket erhältlich. Darin enthalten sind die Bremsanlage, eine Aufhebung der Abregelung, wodurch der Golf R als Limousine 267 und als Variant 270 km/h rennt, eine zusätzliche Spoilerlippe auf dem Dachspoiler der Limousine sowie 19-Zöller in zwei Designs.

Zudem - und das macht einen Vergleich zum Vorgänger umso schwieriger - ist der Tester mit Sport Cup 2 Semi-Slicks von Michelin bereift, die neben den serienmäßigen ContiSport oder Pirelli Pzero bestellt werden können. Und so geht der Golf R auf den sechs schnell gefahrenen Runden subjektiv noch etwas zackiger um die Kurven als der Vorgänger, und der Fahrer kann mit dieser Bereifung naturgemäß früher wieder aufs Gas - kein Kunststück.

Der Leitwolf schlägt sich erwartungsgemäß gut auf der Piste, wie er es bisher auch tat. Die formidablen Sitze passen wie angegossen, die Ergonomie des Lenkrades und der Bedienelemente - und zwar auch ohne Gesten - bilden Referenz in seiner Klasse. Ein sehr gutes Auto nochmals zu verbessern ist eine hohe Kunst, und einen Tick besser ist der R gefühlt auch geworden. Das lässt sich VW natürlich auch entsprechend bezahlen. Ab 40.675 Euro kostet die Limousine, der Variant startet bei 44.800 Euro.

Summa summarum überzeugen die beiden ungleichen Golf-Brüder e und R auf der ganzen Linie, wobei der eGolf sicher den größeren Schritt gegenüber dem Vorgänger gemacht hat. Welcher es sein soll, hängt also von Geschmack und Nutzungsweise ab. Menschen ohne Geldsorgen sei daher ans Herz gelegt: Einfach beide kaufen.

Thomas Schneider/mid

Technische Daten:

e-Golf:
Fünftürige, fünfsitzige Kompakt-Limousine , Länge/Breite/Höhe/Radstand in Meter: 4,27/1,79/1,48/2,63 Meter, Kofferraumvolumen: 341-1.231 l, Leergewicht: 1.615 kg, max. Zuladung: 408-480 kg.
Motor: Permanentmagneterregter Synchron-Elektromotor, max Leistung: 100 kW/136 PS bei 3.000/min - 12.000/min, 1-Gang-Getriebe, max. Drehmoment: 290 Nm bei 0 - 3.000/min, 0-100 km/h: 9,6 s, Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h, Normverbrauch: 12,7 kWh Strom/100 km, CO2-Emission: 0, Testverbrauch: 16 kWh/100km, Preis: ab 35.900 Euro.

Golf R:
Fünftürige, fünfsitzige Kompakt-Limousine , Länge/Breite/Höhe/Radstand in Meter: 4,26/1,79/1,47/2,63 Meter, Kofferraumvolumen: 343-1.233 l, Leergewicht: 1.505 kg, max. Zuladung: 454-552 kg, Tankinhalt: 50 l.
Motor: 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo-Benziner, max Leistung: 228 kW/310 PS bei 5.500/min - 6.500/min, 7-Gang-Direktschaltgetriebe, max. Drehmoment: 400 Nm bei 2.000 - 5.400/min, 0-100 km/h: 4,6 s, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, Normverbrauch: 7,0-7,1 l Super Plus/100 km, CO2-Emission: 160-163 g/km, Preis: ab 42.675 Euro.

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