MOTOR-EXCLUSIVE

Jutta Bernhard - 5. Mai 2017, 11:21 Uhr SPECIALS

mid-Interview: Porsche muss Porsche bleiben

Längst hat der Mega-Trend Elektrifizierung auch Sportwagenhersteller wie Porsche erfasst. Doch kann eine so emotionale Marke, deren Fahrzeuge sich primär über das Fahrerlebnis definieren, nicht einfach eine Blaupause nutzen? Denn Porsche muss Porsche bleiben, um erfolgreich zu sein. Wie das funktionieren soll, verrät Oliver Blume, der Vorstandsvorsitzende der Porsche AG, im mid-Interview.

Längst hat der Mega-Trend Elektrifizierung auch Sportwagenhersteller wie Porsche erfasst. Doch kann eine so emotionale Marke, deren Fahrzeuge sich primär über das Fahrerlebnis definieren, nicht einfach eine Blaupause nutzen. Denn Porsche muss Porsche bleiben, um erfolgreich zu sein. Wie das funktionieren soll, verrät Oliver Blume, der Vorstandsvorsitzende der Porsche AG, im mid-Interview.

mid: Porsche kann bei der Elektrifizierung seiner Modelle auf die Erfahrungen aus den beiden zurückliegenden und sehr erfolgreichen Motorsport-Jahren zurückgreifen. Wie groß ist hier der Einfluss auf künftige Serienmodelle?
Oliver Blume: Der 919 Hybrid, mit dem Porsche 2015 und 2016 sowohl die 24 Stunden von Le Mans als auch die Langstrecken-Weltmeisterschaft gewonnen hat, wird von einem hoch modernen, sehr leistungsfähigen Hybrid-System angetrieben. Die Erfahrungen, die wir damit unter härtesten Bedingungen auf der Rennstrecke gesammelt haben, lassen wir jetzt sukzessive in die Serienentwicklung einfließen. Der neue Panamera Turbo S E-Hybrid ist dafür ein gutes Beispiel. Er belegt eindrucksvoll, dass sich die elektrischen Komponenten des Hybridantriebs nicht nur zur emissionsfreien Fahrt durch Innenstädte nutzen lassen, sondern bei Bedarf auch die sportliche Fahrdynamik unterstützen und so zu einem besonders ausgeprägten, Porsche-typischen Fahrerlebnis beitragen. Insofern passt die Elektrifizierung sehr gut zu Porsche. Wir werden künftig neben den Hybrid-Modellen auch rein elektrisch angetriebene Sportwagen anbieten. Und wir werden weiterhin Sportwagen mit Verbrennungsmotoren in unserem Modellprogramm haben.

mid: Porsche steht auch der Elektrifizierungsbaukasten des Volkswagen-Konzerns zur Verfügung. Wie stark will die Marke diesen nutzen und wie umfangreich sind die Modifikationen, die Porsche vornimmt, um auf das gewohnte Niveau zu kommen?
Oliver Blume: Ende des Jahrzehnts wird es den ersten rein elektrisch angetriebenen Sportwagen von Porsche geben, den Mission E. Dabei handelt es sich um eine komplette Eigenentwicklung - "engineered in Weissach" und "manufactured in Zuffenhausen". Mit dem Mission E werden wir die Elektromobilität Porsche-typisch präsentieren. Für die weitere Zukunft werden wir natürlich Synergien durch den Konzern nutzen. Doch was die markenspezifische Performance betrifft, gehen wir keine Kompromisse ein. Das, was einen Porsche ausmacht, macht Porsche auch selbst.

mid: Gibt es bereits Pläne für eine Zusammenarbeit mit anderen Konzernmarken - etwa nach dem Beispiel des Macan, der sich - Schlagwort Längsbaukasten - mit dem Audi Q5 die technische Basis teilt?
Oliver Blume: Mit Audi werden wir auch in Zukunft in bestimmten Segmenten modulare Baukästen teilen. Dabei geht es nicht nur darum, Kosteneffekte zu nutzen. Dort, wo es Sinn macht, wollen wir auch das Know-how beider Häuser bündeln. Audi ist ein innovatives Unternehmen, das genauso wie Porsche viel Erfahrung in die Partnerschaft mit einbringt. Es ist meine feste Überzeugung: Gemeinsam werden wir eine starke Plattform auf die Beine stellen. Darauf baut dann jede Marke ihre eigenen Produkte auf. Das heißt: Auch in Zukunft bleibt Porsche Porsche und Audi bleibt Audi. Diese Art der markenübergreifenden Zusammenarbeit hat sich schon beim Q5 und Macan bewährt. Ähnlich gehen wir in der neuen Markengruppe "Sport/Luxus" vor, zu der neben Porsche die Konzernmarken Bentley und Bugatti gehören.

mid: Beim Panamera und Cayenne hat die Elektrifizierung bereits eingesetzt. Aber wie sieht es mit Boxster und Cayman aus? Muss die erst 2016 eingeführte 718er-Generation noch ein halbes Jahrzehnt auf einen Elektroschub warten?
Oliver Blume: Prinzipiell lässt sich der Elektro-Antrieb auch bei unseren Mittelmotor-Sportwagen einsetzen. Im Rahmen von Forschungsprojekten gab es bereits erste Testläufe. Doch die 718-Modelle werden sicher am längsten noch mit klassischen Verbrennungsmotoren fahren. Für uns ist es wichtig, bei unseren Wurzeln zu bleiben. Auch wenn wir die Elektrifizierung generell und konsequent angehen, wollen wir uns weiterhin die Dinge bewahren, die Porsche traditionell ausmachen. Wir sind selbst überwältigt von dem Erfolg, den wir mit den 718ern haben. In China waren sie ein Türöffner für Porsche in Bezug auf zweitürige Sportwagen. Wir merken, dass auch dort das Motorsport-Interesse wächst, gerade bei jungen Leuten. Besonders viele Frauen interessieren sich für den Boxster und Cayman - aber auch für den 911er. Wir sehen deshalb für diese Modelle mit traditionellen Antrieben im asiatischen Markt noch eine große Zukunft.

mid: Stichwort 911er: Also bleibt es bei "dem" deutschen Sportwagen beim 6-Zylinder?
Oliver Blume: Ja, beim 911 werden wir weiterhin auf 6-Zylinder-Boxermotoren setzen. Da gibt es keine Diskussion. Wir werden in unserer Modellpalette auch noch einmal gezielt einige Modelle herausstellen, die auf unser Image einzahlen. So haben wir etwa die Entscheidung, den neuen GT3 nicht nur mit Doppelkupplungsgetriebe anzubieten, sondern auch wieder als Handschalter aufzulegen, ganz bewusst getroffen. Die Auftragseingänge nach den ersten Wochen haben ganz klar gezeigt: Wir haben uns richtig entschieden. Porsche kann auf eine einzigartige Tradition als Sportwagenhersteller zurückblicken. Mit dieser Heritage unterscheiden wir uns von allen anderen Herstellern. Das wollen wir noch stärker betonen.

mid: Plant Porsche, E-Motoren auch in Form einer elektrisch angetriebenen Vorderachse als verbrauchsgünstige Alternative zum konventionellen Allradantrieb einzusetzen?
Oliver Blume: Schon beim Mission E kommen zwei Elektromaschinen zum Einsatz. Das ist heute unser Konzept, von dem wir überzeugt sind. Ich kann Ihnen versichern: Wir werden immer das Konzept anwenden, das fahrzeugspezifisch das Richtige ist. Höchste Priorität hat für uns die Porsche-typische Umsetzung der E-Mobilität. Das heißt: Wir werden kein Fahrzeug auf den Markt bringen, das nur ein effizientes Fortbewegungsmittel ist. Unsere Kunden erwarten von uns auch bei einem E-Sportwagen die sportliche Fahrdynamik, die Qualität und das Design eines Porsche - in Summe also das einzigartige Fahr- und Markenerlebnis, für das Porsche weltweit steht. Und genau das bekommen sie von uns. Das ist unsere Philosophie.

Jutta Bernhard / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie SPECIALS wurde von Jutta Bernhard am 05.05.2017, 11:21 Uhr veröffentlicht.