MOTOR-EXCLUSIVE

Jutta Bernhard - 2. Februar 2018, 16:06 Uhr OLDTIMER

Die mid Zeitreise: Angst im Straßentunnel

Am 30. Januar 1978 berichtete der mid im 27. Jahrgang über das Verhalten von Autofahrern im Straßentunnel.


Fahrten durch längere Straßentunnel erzeugen bei manchen Autofahrern ein eigenartiges Spannungsgefühl, eine Art Beklemmung, die bis zu Angstgefühlen reichen kann und den Psychologen bekannt ist. "Ich fühle mich eingezwängt in eine dunkle Röhre und habe keine Ausweichmöglichkeit ins Freie" bekennt der eine Fahrer, und ein anderer: "Wenn ich in einen langen Straßentunnel einfahre, verspüre ich ein eigenartiges, fast einengendes Gefühl auf der Brust, ich spüre, dass ich für Momente den Atem anhalte." Und eine Fahrerin bekannte: "Ich fühle mich während der ersten 200 Meter Fahrt im Tunnel fast ein wenig unsicher, aber dann gewöhne ich mich an die Situation." In einer im letzten Jahr begonnenen Untersuchung der Schweizer Forschungsstelle für Verkehrsmedizin über das Fahrverhalten durch Straßentunnel ergaben sich einige interessante Hinweise auf die Veränderungen physiologischer Parameter bei den verschiedenen Fahrern. Es zeigte sich ein zeitliches beziehungsweise Distanz abhängiges Auftreten der verschiedenartigen subjektiven Gefühlsempfindungen im Verein mit dem Auftreten objektivierbarer physiologischer Veränderungen.

Fahrer wussten nichts

In der ersten Untersuchungsstufe wurde den Fahrern fünf Kilometer vor der Tunneleinfahrt ein Gerät zur Messung der Herzschlag- und Atemfrequenz angelegt, ohne ihnen zu sagen, was der genaue Zweck des Tests sei. Die Impulsaufzeichnungen wurden elektronisch auf Band aufgenommen, so dass keine Beobachter im Wagen mitfuhren und die externe psychische Beeinflussung damit auf einem Minimum gehalten wurde. Wiederum fünf Kilometer nach Tunnelende wurden die aufgezeichneten Messwerte ausgewertet und die Fahrer nun erstmals in einem Interview spezifisch auf die persönlichen Empfindungen bei der Tunnelfahrt ausgefragt.

Fahrer zeigten Reaktionen

Die Auswertung der Messungen ergab bei rund 40 Prozent der geprüften Fahrer eine deutliche Veränderung von Herzschlagfrequenz und Atmung bei der Tunneldurchfahrt, und zwar übereinstimmend mit dem zeitlichen Verlauf der Fahrt: Während den ersten 100 bis 200 Metern Tunneldurchfahrt erfuhr die Herzschlagfrequenz eine Erhöhung gegenüber den Fahrwerten vor dem Tunnel und in einigen Fällen waren leichte Rhythmusstörungen zu verzeichnen. Die Veränderung der Atmungsarbeit, das heißt die pro Minute registrierbaren Atemzüge, war etwas uneinheitlich, teils wurde die Atmung während der ersten Zeit der Tunneldurchfahrt schneller, teils sogar etwas langsamer, insgesamt aber deutlich unregelmäßiger, als bei der Fahrt vor und nach dem Tunnel. Alle die registrierten Werte von Herzschlag- und Atemarbeit näherten sich wieder langsam den vor- und nachher aufgetretenen Werten mit zunehmender Dauer der Tunnelfahrt, offenbar als Folge der zunehmenden Adaption psychophysischer Vorgänge im Organismus.

"Tunnelphobie" unabhängig von Nervosität

Damit dürfte erwiesen sein, dass diese "Tunnelphobie" nicht nur eine Einbildung gewisser psychisch labiler "nervöser" Fahrer ist, sondern tatsächlich auch mit objektivierbaren physischen Veränderungen verbunden ist. Ohne auf die zur Zeit noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen weiter einzugehen, darf auf ein interessantes Phänomen hingewiesen werden: Ein wesentlicher Anteil dieser Veränderungen scheint über das optische Sinnesorgan abzulaufen, nämlich durch den Unterschied in den Beleuchtungsverhältnissen zwischen hellem Tageslicht und der Tunnelbeleuchtung. Denn die erwähnten Veränderungen von Puls- beziehungsweise Herz- und Atemarbeit fielen durch Versuche zur Nachtzeit weniger deutlich aus.

Dieser Artikel aus der Kategorie OLDTIMER wurde von Jutta Bernhard am 02.02.2018, 16:06 Uhr veröffentlicht.