MOTOR-EXCLUSIVE

Jutta Bernhard - 9. März 2018, 17:36 Uhr MOTORRAD

Die mid-Zeitreise - Prädikat: Langstreckentauglich - Fahrbericht BMW R 100 RT

Am 21. März 1988 berichtete der mid im 37. Jahrgang über das Motorrad BMW R 100 RT im Fahrbericht


Geschwindigkeit ist nicht alles. Dies gilt auch für Motorräder und erst recht für Tourenmaschinen. Gerade auf Langstrecken zeigt sich, was eine entspannte Sitzposition, ein großer Tank und ein Motor mit Drehmomentreserven Wert sind. Die im Jahre 1977 erstmals und nun neu aufgelegte BMW R 100 RT gehört mit ihrer vorbildlichen Tourenverkleidung - und in ihrer modifizierten Form - auch heute noch zu den wenigen Motorrädern, die auch eine 1.000 Kilometer-Tagesetappe nicht zur Strapaze werden lassen.

Mit dem überarbeiteten und geräuschreduzierten Einliter-Boxermotor (geänderte Ventilsitze, Auslegung auf bleifreies Benzin) ist die R 100 RT gelungen motorisiert. Die Leistungsrücknahme von ehemals nur mühsam erreichten 70 PS bei 7.000 U/min auf "gesunde" 60 PS/44 kW bei 6.500 Touren kommt dem Drehmoment des 980 ccm-Aggregates zugute, und setzt den RT-Biker in den Genuss eines satten Leistungspotenzials. Bereits bei 2.000 U/min kann der Gasgriff geöffnet und verwertbare Leistung abgerufen werden. Seine Durchzugsstärke beweist der luftgekühlte Zweizylinder mit seinem zusätzlichen Ölkühler dann bei mittleren Drehzahlen, wo auch sein beachtliches maximales Drehmoment von 74 Nm bei 3.500 Kurbelwellenumdrehungen anliegt. Hohe Drehzahlen sind allenfalls beim starken Beschleunigen nötig. Selten ausgenutzt wird auch die Höchstgeschwindigkeit von rund 185 Tachokilometern. Als RT-Fahrer begnügt man sich regelmäßig mit einem Autobahntempo um die Richtgeschwindigkeit, was der Reichweite und damit den Fahrdurchschnitten zugute kommt. Ein Benzinverbrauch von durchschnittlich 6,5 Litern bleifreiem Normalbenzin auf 100 Kilometer ist nicht wenig, kann aber mit dem 22-Liter-Tank (knapp 4 Liter Reserve) für einen Aktionsradius von 300 Kilometer bis zum nächsten Tanken sorgen. Die Abstimmung des Fünfgang-Getriebes - bei der Testmaschine schaltete es geräuschvoll - erlaubt in Verbindung mit der Elastizität des Motors auch auf Landstrassen eine schaltfaule und zügige Fahrweise. Der ruhige und weitgehend vibrationsarme Motorenlauf des Zweiventilers tut sein übriges zum souveränen Fahrgefühl. Die angenehm leichtgängige Kupplung, der sonore Boxerklang und die Wartungsfreundlichkeit (Ventile und Vergaser leicht einstellbar, Zündung Transistorgesteuert) sind weitere Pluspunkte dieser Langstreckenmaschine. Kritik verdient indes die problematische Warmlaufphase, während der am Lenker angebrachte Choke sehr feinfühlig eingesetzt werden will. Das Starten selbst ist mit dem E-Starter und der riesigen 30 Amperestunden-Batterie kein Problem.

Die entspannte Sitzposition trägt zum Wohlbefinden des Fahrers entscheidend bei. Die Sitzbank ist bequem gepolstert und sitzt sich auch auf ausgedehnten Touren nicht durch. Der Lenker erlaubt eine aufrechte Sitzhaltung. Die dreifach verstellbare Tourenverkleidung schützt vorbildlich vor Wind und Wetter. Auch die Sozia ist ausgesprochen bequem untergebracht. Das mit der Einarmschwinge modifizierte Fahrwerk genügt Tourenansprüchen vollauf, wobei die hohe Zuladungsmöglichkeit von rund 205 Kilogramm dem Urlaubsgepäck gewichtsmäßig keine Beschränkung auferlegt. Die Telegabel und das in der Federvorspannung vierfach verstellbare Federbein hinten sind mit ihren großen Federwegen komfortabel abgestimmt, ohne schwammig zu wirken. Der Geradeauslauf ist sicher. Die leichte Spurrillen-Sensibilität und die Seitenwindempfindlichkeit schmälern nicht den guten Gesamteindruck. Die Handlichkeit der 234 kg-Maschine stellt zufrieden, obgleich das hohe Verkleidungsgewicht um die Lenkpartie den schnellen Schräglagenwechsel erschwert.

Sportlichen Einlagen setzen auch die deutlichen Kardanreaktionen und die quietschenden Bremsen recht schnell Grenzen. Zwar verzögern die gelochte Doppelscheibe vorne und die Trommelbremse hinten im Normalfall zufriedenstellend, doch lässt die Dosierung - speziell der Doppelscheibe - zu wünschen übrig. Pluspunkte fährt die serienmäßig mit Packtaschen und einer kleinen Gepäckbrücke aufwartende BMW bei der Ausstattung ein. Die Verkleidung enthält zwei abschließbare Fächer für Utensilien, und das hochwertige Bordwerkzeug ist in einem großen Staufach im Heck untergebracht. Die ruhig anzeigenden Instrumente werden durch Voltmeter und Quarzuhr komplettiert. Zwar sind die Lenkerarmaturen primitiv, aber auch mit dicken Winterhandschuhen zu bedienen. Ob allerdings die beiden Lüftungsschlitze in der Verkleidung im Sommer der Temperaturregelung ebenso zweckdienlich sind, wie die - gegen Aufpreis erhältlichen - Heizgriffe im Winter, darf bezweifelt werden. Rund 16.500 DM sind der Preis für die Langstreckenmaschine BMW R 100 RT.

Dieser Artikel aus der Kategorie MOTORRAD wurde von Jutta Bernhard am 09.03.2018, 17:36 Uhr veröffentlicht.