MOTOR-EXCLUSIVE

Jutta Bernhard - 20. April 2018, 14:22 Uhr OLDTIMER

Die mid-Zeitreise: Wohnwagen im Straßenverkehr

Am 24. April 1978 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 27. Jahrgang über Wohnwagen im Straßenverkehr.


Die mid Zeitreise: Wohnwagen im Straßenverkehr
Am 24. April 1978 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 27. Jahrgang über Wohnwagen im Straßenverkehr.

Was Neulinge wissen müssen:

1. Der Wohnwagen hat bei der Gespannfahrt ein geringes Beschleunigungsvermögen. 2. Die Sicht nach hinten ist trotz des vorgeschriebenen zweiten Spiegels geringer. 3. Beim Kurvenfahren bestimmt das Heck des Caravans den notwendigen Lenkradeinschlag. 4. Das heißt der Caravan, der in sehr engen Kurven nicht mehr in der Spur des Zugwagens läuft, beschreibt einen engeren Kreis. Wobei es bei Unachtsamkeit sogar passieren kann, dass er sich mit dem Zugwagen verkantet. 5. Jedes Überholen verlangt beim Wiedereinbiegen in die ursprüngliche Fahrspur einen größeren Sicherheitsabstand. 6. Der Wohnwagenaufbau benimmt sich bei Seitenwind und Luftdruck jeder Art wie eine enorme Segelfläche. 7. Ein Niveauausgleich in der Hinterachse - gleichviel ob serienmäßig oder nachträglich eingebaut - verhindert die nächtliche Blendwirkung der eigenen Scheinwerfer. 8. Und wer zusätzliche Rücksicht auf den nachfolgenden Verkehr nimmt, ermöglicht ihm die Durchsicht auf das Verkehrsaufkommen vor dem Gespann. Er hängt also seine Bug- und Heckfenster während der Fahrt nicht mit Vorhängen oder Klappläden zu. 9. Kommt der Hänger ins Tänzeln - sei es durch plötzlichen Seitenwind oder zu hohe Geschwindigkeit - hilft für das Wiederstabilisieren nur ein kräftiger Tritt auf die Bremse.

Gesetze verleiden den Spaß

Das sind neun aus der Erfahrung geborene Leitsätze, die aber sehr bald in die Gespannfahrpraxis eingehen. Im Übrigen: Dass einem zu schwachen Zugwagen kein zu schwergewichtiger Anhänger zugeordnet werden darf, dafür sorgt schon der TÜV. Denn der von ihm amtlich vorgeschriebene Kraftakt fordert den Zugwagen am Berg zu einer Art Offenbarungseid heraus. Er muss vollbeladen und mit dem vom Werk angegebenen Anhängergewicht fünfmal hintereinander an einer zwölfprozentigen Steigung anfahren können. Trotz all dieser sehr vernünftigen Voraussetzungen werfen Gesetzgebung und Verordnungspraxis dem Wohnwagen im Straßenverkehr immer noch harte Knüppel in den Weg. Ich nenne nur die unsinnigen Überholverbote, die auf ebenen und oft auch dreispurigen Autobahnabschnitten das Caravangespann mit Schwerstlastzügen gleichsetzen. Und das, obwohl das Wohnwagengespann im Schnitt 30-60 PS pro Tonne auf die Fahrbahn bringt - gegenüber den 6-8 PS pro Tonne, die die europäischen Gesetzgeber den Schwerstlastern vorschreiben. Ich denke an das wirklichkeitsfremde Verwaltungsurteil, das dem Wohnwagen das Parken nur mit vorgespanntem Zugwagen erlaubt. Auch die fortgesetzte Moserei gegen das sogenannte "Dauercamping" mit dem Ziel, es einzuschränken oder in eine Landschaft zu verbannen, die von den Großstadtzusammenballungen nur in stundenlanger Fahrt zu erreichen ist, gehört zu den Knüppeln, die auf den Wohnwagen im Straßenverkehr geworfen werden. .

Kaum "lahme Enten"

Zu letzterem nur kurz: Einmal ist schon der Wortbegriff "Dauercamping" falsch. Der Caravan wird ja nicht dauernd bewohnt. Er verbleibt lediglich auf dem Platz. Seine Benutzung erfolgt nur in arbeitsfreien Zeiten. Und da dies vorwiegend in Wohnsitznähe geschieht, muss richtigerweise von "übernachtender Naherholung" gesprochen werden. Wenn das nicht geschieht, sollte es als Beitrag zur Verkehrsentlastung und damit zur Verkehrssicherheit gewertet werden. Das ist für die besonders unfallträchtigen Wochenenden außerordentlich wichtig. Man sollte also die Caravanfahrer nicht unbedingt zu Verkehrsbösewichten stempeln. Sicher, es gibt manche "lahme Enten" auf den großen Transitstraßen in Deutschland. Schaut man aber genauer hin, tragen sie zumeist ausländische Kennzeichen. Wo sich die Behörden die Mühe machten, einmal exakt zu analysieren, wie es um den Verkehrsteilnehmer Caravangespann steht, widerlegt das Ergebnis dieser Analyse das nur allzu oft pauschal geäußerte "Feindbild" von dem Wohnwagen im Straßenverkehr.

Dieser Artikel aus der Kategorie OLDTIMER wurde von Jutta Bernhard am 20.04.2018, 14:22 Uhr veröffentlicht.