MOTOR-EXCLUSIVE

Klaus Brieter - 14. September 2018, 13:12 Uhr AUTOMOBIL

Langstreckenkomfort neu definiert

Mit fortschreitender Technik ändern sich die Ansprüche ans Auto. Das gilt auch für den Fahrkomfort. Er hat rasant an Niveau gewonnen und sich mit der aktiven Sicherheit verschmolzen.


Mit fortschreitender Technik ändern sich die Ansprüche ans Auto. Das gilt auch für den Fahrkomfort. Er hat rasant an Niveau gewonnen und sich mit der aktiven Sicherheit verschmolzen. Auf die Frage, wie ein komfortabler Reisewagen zu definieren ist, tauchen oft nur diese Antworten auf: viel Platz, schluckfreudige Federung, leiser und nicht zu schwacher Motor sowie bequeme Sitze. Sicher seit jeher gute Grundvoraussetzungen, aber längst nicht mehr genug. Speziell auf langen Strecken beweisen die modernen Fahrerassistenzsysteme, wie entspannt Autofahren auch unter Belastung sein kann. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat es mit einem entsprechend ausgestatteten Audi Q5 2.0 TDI mit S-tronic ausprobiert. Die erhöhte Sitzposition und die aufpreispflichtige Luftfederung des Mittelklasse-SUV leisten dabei einen erheblichen Beitrag in Sachen Fahrkomfort.

Da der Erprobungsparcours durch drei europäische Länder eine ausgeglichene Mischung aus Autobahn, Landstraße und Ortsdurchfahrten bildet, können die elektronischen Helfer (die Kombination aus den Audi-Assistenzpaketen "Stadt" und "Tour", sowie dem Head-Up Display) auf sehr unterschiedliche Weise zeigen, was in ihnen steckt. Bereits eine kleine Auswahl der dann verfügbaren Assistenten macht die Vielseitigkeit der Hilfeleistungen deutlich: Adaptive Geschwindigkeitskontrolle mit Stop&Go-Funktion, aktiver Spurhalte- und prädikativer Effizienzassistent, automatische Anpassung des Fernlichts, kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung, Stauassistent, Totwinkelwarnung und Rückfahrkamera.

Schon das Head-Up Display ist eine Klasse für sich. Beim Blick auf die Straße sieht der Fahrer wie ein Jet-Pilot dank einer Projektion in die Windschutzscheibe die für ihn wichtigsten Infos: Geschwindigkeit, aktuelles Tempolimit, eingestellte Wunschgeschwindigkeit und Aktivität von Spurhalte- und Abstands-Assistenten. Außerdem meldet sich dort auch eine weitere Anzeige des Navigationssystems mit einfachen, aber klar verständlichen Symbolen. Der ständige Blickwechsel zwischen Straße und Tachoskala entfällt: eine wesentliche Entlastung des Chauffeurs. Ebenfalls ohne Kopfdrehung gut zu erkennen ist die blinkende Warnung im Gehäuse der Außenspiegel, wenn sich ein anderer Verkehrsteilnehmer permanent im toten Winkel befindet oder gerade überholt.

Die adaptive Geschwindigkeitsregelung im Audi kann nicht nur die Wunschgeschwindigkeit halten und sich dem langsamer vorausfahrenden Verkehr anpassen (Abstand in fünf Stufen regelbar), sondern auch Tempolimits erkennen und entsprechend reagieren: eine Funktion, die man besonders auf fremden Strecken mit ständig wechselnden Geschwindigkeitsbeschränkungen schätzen lernt. In Zusammenarbeit mit dem aktiven Spurhalte-Assistenten (ab 65 km/h) entlastet dieses System den Fahrer nicht nur auf längeren Fahrten sehr intensiv. Selbst wenn sich der Pilot mal ablenken lässt, mittelt der Wagen auf Autobahnen und Landstraßen mit deutlich gekennzeichneten Fahrstreifenmarkierungen auf der Geraden und in nicht zu engen Kurven ordentlich seine Spur aus und verhindert Auffahrunfälle, wenn der Verkehr ins Stocken gerät. Das Ganze geschieht angenehm unaufdringlich. Trotzdem erziehen diese Helfer zum vorschriftsmäßigen Blinken beim Spurwechsel, weil die Lenkung dann nicht versucht, die Spur mit sanftem Impuls zu halten.

Das nervtötende Fahren im Stau verliert mit der Stop&Go-Funktion (nur bei Automatik-Getrieben an Bord) seinen Schrecken. Der Wagen bleibt brav stehen und fährt auf Fahrerwunsch automatisch wieder an. Bis 65 km/h kann der Stau-Assistent auch die Lenkarbeit teilweise übernehmen, solange der Verkehr zähflüssig ist. Ein besonderes Sahnestück ist der "prädikative Effizienzassistent" (mit Navigationssystem): Er signalisiert dem Fahrer, dass er den Fuß vom Gas nehmen kann, weil sich das Auto beispielsweise einem Kreisverkehr, einem Ort oder einer Gefällestrecke nähert. Wer die Empfehlung annimmt, kann den Kraftstoffverbrauch um bis zu zehn Prozent senken. Und geht es darum, an den Raststellen rückwärts einzuparken, leistet die Rückfahrkamera wertvolle Dienste: Die Gefahr, niedrige Pfosten oder gar Kinder hinter dem Auto zu übersehen, sinkt so auf Null.

Wer den Q5 mit der adaptiven Luftfederung bestellt, erlebt einen Fahrwerkskomfort der Extraklasse. Die Luftfederung an allen vier Rädern schluckt nicht nur die Bodenunebenheiten elegant weg, sondern balanciert auch immer die Trimmlage der Karosserie sauber aus. Je nach Gusto oder Streckenanforderung kann der Fahrer die Modi "Auto", "Comfort", "Dynamic", "Allroad", "Lift/Offroad" einstellen. Damit ändert sich nicht nur die Charakteristik der Federung, sondern auch das Höhen-Niveau. Für das Beladen des Reisewagens mit schwerem Gepäck hält diese Federung eine besonders höfliche Funktion parat: Auf Knopfdruck sinkt die Ladekante um 55 Millimeter ab.

Die Fahreindrücke dieser Reise machen es deutlich: Komfort und Sicherheit sind mittlerweile eng miteinander verzahnt. Damit ist zwar auch gemeint, dass ein entlasteter und entspannter Fahrer zu weniger Fehlern neigt. Das eigene Erleben zeigt, dass die Fahrerassistenzsysteme durch rechtzeitiges Eingreifen Unfälle vermeiden können. Gerade auf langer und ungewohnter Strecke mit Ablenkungen und nicht rechtzeitig erkanntem Ermüden bügeln die elektronischen Helfer fahrerische Schnitzer gekonnt aus. Freilich: Die absolute Perfektion ist nicht zu erwarten. Schließlich sprechen wir nicht vom autonomen Fahren. Der Fahrer fährt noch selbst und wird dabei unterstützt. Seine Aufmerksamkeit kann er dennoch dadurch schärfen, dass er seine Assistenten kontrolliert: Dann ist er nicht überrascht, wenn zum Beispiel die Geschwindigkeitsregelanlage die Aufhebung eines Tempolimits - so mehrmals passiert auf italienischen Straßen - nicht realisiert oder sich an einem Schild orientiert, das zu einer Ausfahrspur gehört, die vom eigenen Kurs abweicht. Und wenn plötzlich auf der Straße alle Markierungen fehlen, dann kann der Spurhalter nur mit den Achseln zucken.

Diese wenigen Ausnahmen stellen die Gesamtleistung dieser Technik nicht infrage. Sicher: Leider kosten die meisten Assistenzsysteme im Auto einen hohen Aufpreis. Audi fakturiert im Q5 allein für die beiden Pakete "Stadt" und "Tour" über 3.000 Euro. Aber was ist das im Vergleich zu den Kosten eines Auffahrunfalls oder gar zum Verlust von Gesundheit oder Leben? Und dem Ego tut es gut, wenn der Assistent an Bord täglich kundtut: "Ich helfe dir gern, aber Du bist immer noch der Chef!"

Klaus Brieter / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Klaus Brieter am 14.09.2018, 13:12 Uhr veröffentlicht.