MOTOR-EXCLUSIVE

Ralf Schütze - 31. Oktober 2018, 15:25 Uhr AUTOMOBIL

VW Touareg: Das Raumschiff

'Das deutsche Straßennetz: Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2018. Dies sind die Abenteuer des VW Touareg...' Ganz im Stil von Raumschiff Enterprise könnte eine Begrüßung in Volkswagens SUV-Flaggschiff klingen - akustisch erzeugt im futuristischen Zwei-Monitor-Cockpit, an dem Captain Kirk seine wahre Freude hätte. Der Motor-Informationsdienst (mid) ist zur Raumpatrouille gestartet.


"Das deutsche Straßennetz: Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2018. Dies sind die Abenteuer des VW Touareg..." Ganz im Stil von Raumschiff Enterprise könnte eine Begrüßung in Volkswagens SUV-Flaggschiff klingen - akustisch erzeugt im futuristischen Zwei-Monitor-Cockpit, an dem Captain Kirk seine wahre Freude hätte. Während die Wolfsburger allgemein den unbescheidenen Anspruch erheben, "Das Auto" zu bauen, fühlt sich speziell der Touareg viel mehr an wie "Das Raumschiff": Unglaublich komfortabel und geräumig. So schwebt man regelrecht erhaben über die Fahrbahn oder dank Allradantrieb und großer Bodenfreiheit auch über Stock, Stein und Schotter - stets souverän angetrieben von einem dicken Diesel. Der glänzt im VW Touareg 3,0l V6 TDI nicht nur mit 210 kW/286 PS Leistung und der Urgewalt von 600 Newtonmeter Drehmoment, sondern überzeugt auf ganzer Länge. Abgesehen von Kosten und Parkplatzsuche: Selten hat ein Auto bei unseren Testfahrten derart überzeugt.

Eines ist wirklich extrem lästig an der dritten Generation des VW Touareg, die im Vergleich zum Vorgänger nochmals um satte acht Zentimeter auf 4,88 m gewachsen ist: Die manchmal schier endlose Parkplatzsuche. Wer keinen Carport vor der Haustür oder einen Garagenplatz in der Nähe hat, sollte sich die Anschaffung des Oberklasse-SUV gut überlegen. Und ein hohes Budget braucht man ohnehin, das liegt bei einem Preis von 60.675 Euro für den von uns getesteten 286 PS-Diesel auf der Hand. Zumal sich der Preis mit entsprechenden Extras leicht auf rund 100.000 Euro steigern lässt. Dass es inzwischen den V6 TDI auch mit 231 PS für 57.125 Euro gibt, entschärft diese Problematik nicht wirklich.

Doch genug der Bedenken: Wer ihn sich leisten kann, wird seine wahre Freude haben am Touareg. Ganz besonders am stärkeren 3.0-Liter-V6-Diesel. Und wer mit dem Selbstzünder trotz SCR-Kat und AdBlue-Technologie gar nichts anfangen kann, wartet auf einen 340 PS starken TSI-Benziner oder bis Sommer 2019 auf einen Plug-In-Hybrid.

Der bärenstarke 3,0-Liter-Diesel hat zunächst nur Stärken: Durchzugskraft in praktisch allen Drehzahlregionen, impulsive Leistungsentwicklung, leise und kultivierte Kraftentfaltung, weitgehend sehr sparsamer Verbrauch. Wir stellten fest: Im realen Straßenverkehr mit Stadt, Landstraße und Autobahn steigerte sich der Normverbrauch von 6,6 nur unwesentlich auf 7,4 l/100 km - bei der abgerufenen Performance des V6-Motors geht dies völlig in Ordnung. Auf lediglich 8,4 l/100 km kletterte der Wert bei konstanter Autobahnfahrt mit stets rund 140 km/h. Einzig eine leichte und überraschende Anfahrschwäche fiel negativ auf: etwa beim Wechsel von Vorwärtsfahrt in den Rückwärtsgang genehmigt sich der Antriebsstrang eine Denksekunde, ehe sich der TDI wieder gewohnt kräftig in Szene setzt. Dies trübt minimal das sonst tadellose Zusammenspiel zwischen Motor und der von ZF beigesteuerten Achtgang-Wandlerautomatik, und passt so gar nicht zum weitgehend perfekten Touareg-Antrieb. Der lässt seine Insassen zum Beispiel glauben, sie wären mit vielleicht 130 km/h unterwegs, wenn er nach wie vor sehr leise für ein sehr angenehmes Reisetempo von knapp 200 sorgt. Enormer Sitz- und Raumkomfort auf allen Plätzen ergänzt dies hervorragend. Man merkt dem vermeintlichen Dickschiff deutlich an: Die dritte Touareg-Generation ist immerhin um gut 100 kg leichter geworden als der Vorgänger.

Perfektion, die fast Gefahr läuft, die Grenze zum Langweiligen zu überschreiten, stellen wir im Wolfsburger Raumschiff an vielen Stellen fest, etwa bei der Verkehrszeichen-Erkennung. Auf tausenden von Kilometern hat der Touareg jedes Verkehrszeichen exakt erkannt und prompt im Display angezeigt. Unter den Assistenzsystemen ist diese Funktion inzwischen zwar fast schon eine Selbstverständlichkeit, aber das lückenlose Funktionieren ist außergewöhnlich. Ähnlich die vielfach einstellbare Klimaautomatik, die ihre Luftströme nach Geschmack heftiger oder dezenter verteilt. All diese Einstellungen lassen sich über das riesige Display in der Mittelkonsole anpassen. Mit 15 Zoll Diagonale übertrifft es das Fahrerdisplay um 3 Zoll und ist Teil des 3.500 Euro teuren "Innovision Cockpit". Die riesige bunte Monitorlandschaft, die beim Einsteigen vor dem Fahrer aufleuchtet, wirkt zunächst beinahe einschüchternd. Doch nach einer Weile ist man mit den Möglichkeiten individueller Einstellungen vertraut und genießt einfach die intuitive Bedienung - ob nun durch Berührung, Sprach- oder Gestensteuerung. Das soll zwar die Ablenkung beim Bedienen aller möglichen Funktionen verringern, aber stärker als bei gezielter Betätigung von Tasten und Schaltern ist sie dennoch. Das ist offenbar der Preis, den man nach wie vor für ein weitgehend aufgeräumtes Armaturenbrett zahlen muss.

Das Design ist sehr schnittig und geradlinig geraten. Besonders der Frontgrill ist ein absoluter Hingucker. Im Gegensatz zu den übertrieben wirkenden Riesen-Nieren eines BMW X7 sind die ebenfalls riesigen Chromflächen an der Touareg-Front immer noch angemessen. Gleichzeitig mit gefälligerer Optik hat das große VW-SUV in der Alltagstauglichkeit zugelegt. Der Kofferraum wuchs von sehr großen fast 700 auf gigantische 810 Liter an, auch der Tank ist größer geworden, und zwar trotz zusätzlich nötigen AdBlue-Vorrats an Bord. Vorne wie hinten sind die Platzverhältnisse lobenswert. Qualität und Verarbeitung im Innenraum sind VW-typisch tadellos. Schade nur, dass das SUV-Flaggschiff kein Lenkrad hat, das sich klar vom Rest der Modellpalette abhebt - an manchen, besonders exponierten Stellen hätte der Fahrer eines mindestens rund 60.000 Euro teuren Autos gerne spürbar mehr Luxus in den Händen.

Zu den absolut empfehlenswerten Extras, die VW für sein Premium-SUV anbietet, gehören die Luftfederung und die Allradlenkung, beides im Paket für 2.850 Euro. Letztere sorgt nicht nur für überraschende Manövrierbarkeit, sondern macht den Zweitonner auch etwa beim schnellen Spurwechsel angenehm wendig. Dank Luftfederung kann man das Fahrwerk um bis zu 25 Millimeter absenken, was unter anderem die mögliche Höchstgeschwindigkeit von 235 auf 238 km/h erhöht. In anderen Situationen ist eine Erhöhung der Bodenfreiheit um 25 bis 70 Millimeter möglich, was die in dieser Fahrzeugkategorie so wichtige Vielseitigkeit erheblich steigert. Dank seiner umfangreichen und vielfältigen Technologien an Bord fühlt sich der auf Langstrecke so komfortable Touareg auch im Stadtverkehr wendig, spritzig und somit einfach angenehm an - wie gesagt: bis die Parkplatzsuche ansteht. Doch wer völlig tiefenentspannt etwa längs durch unsere Republk brettern möchte, ist mit dem Groß-SUV bestens bedient. Besser als bisher scheint der große vielseitige VW gerüstet für den Kampf gegen die Hauptrivalen BMW X5 und Mercedes-Benz GLE.

Als Fazit drängt sich abermals ein freies zitieren von "Raumschiff Enterprise" auf: In Sachen Raum, Komfort, Technologie und Antrieb dringt der Fahrer eines 3.0 V6 TDI-Touareg "in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat" - jedenfalls in dieser zwar hohen, aber noch nicht völlig abgehobenen SUV-Preisklasse, in der sich der Touareg unterhalb seiner luxuriösen Konzern- und Plattformbrüder Porsche Cayenne, Lamborghini Urus oder Bentley Bentayga bewegt.

Ralf Schütze / mid

Technische Daten VW Touareg V6 TDI SCR 4Motion:

Fünfsitziges, fünftüriges Oberklasse-SUV, Länge/Breite (ohne Spiegel)/Höhe/Radstand in Millimeter: 4.878/1.984/1.717/2.904, Leergewicht: 2.070 kg, zul. Gesamtgewicht: 2.850 kg, max. Zuladung: 462-855 kg, max. Anhängelast gebremst 3.500 kg, Kofferraumvolumen: 810-1.800 l, Tankinhalt: 75 l (AdBlue ca. 24 l), Preis: 60.675 Euro.
Motor: V6-Turbodiesel, Hubraum: 2.967 ccm, Leistung: 210 kW/286 PS bei 3.800 U/min, max. Drehmoment: 600 Nm bei 2.250 - 3.250 U/min, Beschleunigung 0 bis 100 km/h: 6,1 s, Höchstgeschwindigkeit: 235 km/h, Normverbrauch: 6,6 l pro 100 km, CO2-Ausstoß: 173 g/km, Achtgang-Automatik von ZF, Allradantrieb

Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Ralf Schütze am 31.10.2018, 15:25 Uhr veröffentlicht.