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13Panorama: Oldtimer-Rallye Stella Alpina - Rennkäfer im Höhenrausch
Endlich wieder! Die Stella Alpina im Trentino und in Südtirol zählt nach einem Jahr Pandemie-Pause zu den ersten Oldtimer-Rallyes in diesem Jahr Foto: Kai-Uwe Knoth
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Benjamin Bessinger/SP-X - 18. Juni 2021, 13:38 Uhr NEWS

Panorama: Oldtimer-Rallye Stella Alpina - Rennkäfer im Höhenrausch

Mit dem VW Käfer über die Alpen? Schon damals war der erste Italienurlaub auf eigener Achse ein entbehrungsreiches Abenteuer. Und heute wird der Buckel-Porsche in den Bergen erst recht zum Verkehrshindernis - es sei denn, man ist mit einem Oldtimer aus der Rennabteilung unterwegs.

Drei Dutzend Kehren und eine Straße, die fast bis in den Himmel reicht. Für die Fahrer moderner Autos mag der Jaufen-Pass eine leichte Übung sein. Doch am Steuer eines Käfers aus den frühen Fünfzigern wird das eine schweißtreibende Angelegenheit. Erst recht, wenn die Uhr tickt und auf der anderen Seite ein Marshall mit Stoppuhr und Stempel wartet: Willkommen beim Gipfeltreffen der Klassiker, willkommen bei der Stella Alpina im Trentino und in Südtirol. Das Event ist zwar klein, er dauert nur zwei halbe und einen ganzen Tag und mit 500 Kilometern Fahrstrecke gehört es zu den kürzeren im Oldtimer-Kalender. Doch nach einem Jahr Pandemie-Pause zählt sie zu den ersten und ist obendrein das ideale Training für die Mille Miglia, die nur eine Woche später gestartet wird. Kein Wunder, dass man Teilnehmer wie Tsuguo Shintani, einen Japaner, der in Brescia wohnt, mit seinem Triumph TR2 hier wie dort sehen wird.

Auch der Käfer kennt die Mille - schließlich wurde der Wagen eigens dafür umgerüstet und hat sowohl das originale Rennen als auch die Oldtimer-Auflage wiederholt bestritten. Den Namen Buckel-Porsche trägt er deshalb völlig zurecht. Denn diesmal gilt der Spitzname nicht nur dem Erfinder Ferdinand Porsche, sondern auch dem Motor im Heck: Um den Käfer für das Rennen gegen Mercedes & Co zu rüsten, haben sie ihm damals in Wolfsburg den Motor des 356er Porsches eingebaut. Statt kaum mehr als 30 hat er deshalb jetzt knapp 80 PS, die sich mit einem mächtigen Spektakel bemerkbar machen, Und mit jeder Menge Vortrieb. Denn bis auf zwei knappe Aluschalen für die Insassen komplett ausgeräumt und deshalb kaum 800 Kilo schwer, wird der Käfer zum Gipfelstürmer, und es braucht nur ein paar Kilometer, dann sind Fahrzeug und Fahrer im Höhenrausch: Solange man die Gänge schön ausdreht, den Motor immer zwischen 2.500 und 4.500 Touren hält und sich von den Kanonenschlägen der Fehlzündungen im Heck nicht stören lässt, fährt der Käfer tatsächlich wie ein Porsche , verbeißt sich tapfer im Heck eines Jaguar E-Type und schießt in einem unbedachten Moment mühelos an dem viel stärkeren Sportwagen vorbei. Denn was dem Käfer am Ende vielleicht doch an Leistung fehlt, dass macht er mit Chuzpe wieder wett und mit seiner Handlichkeit. Und wenn es mit 160 km/h Spitze den Pass wieder hinunter geht, scheint der Käfer förmlich zu fliegen. Klar, entwickelt das Heck bisweilen sein Eigeneben, und die Bremsen haben allenfalls noch so viel Biss wie eine altersschwache Bulldogge. Doch mit Mut und Tücke meistert der VW jeder Etappe und jede Sonderprüfung - und wenn man nur früh genug zurückschaltet, ist dem bereiften Krabbeltier keine Steigung zu steil.

Viele andere Autos muss er allerdings gar nicht überholen. Denn das Feld der Rallye ist klein, fein und ungewöhnlich. Wenn man sich die zwei Dutzend jüngeren Ferrari wegdenkt, die sich den Spaß jeweils rund 3.000 Euro kosten lassen, dann bleiben am Ende keine 40 Klassiker - und die üblichen Verdächtigen fehlen. Es gibt weder Flügeltürer noch Pagoden oder sonst irgendeinen Mercedes, es fehlen die ewigen Bentley Blower und auch nach einem Bugatti sucht man vergebens.

Aber egal was da so alles durch Bozen fährt, durch Bruneck, Meran oder zum Etappenziel in Madonna die Campiglio - kaum taucht die Flotte der Käfer auf, unter die sich noch ein Karmann Ghia gemischt hat, haben die wenigen Zuschauer ohnehin keine Augen mehr für die paar Porsche, Lancia oder Austin Healys im Feld. Egal wie am Ende die Wertung ausgeht, ist der Käfer immer der Winner - zumindest die Herzen der Zuschauer erobert er im Sturm.

Das ist eine Erkenntnis, die dem vielleicht prominentesten Teilnehmer der Rallye gut in den Plan passt: Denn für einen Tag hat sich VW-Chef Herbert Diess hinter das Steuer geklemmt und folgt damit nicht nur seiner privaten Passion, sondern auch einer dienstlichen Mission. Auch wenn gerade kein anderer Autoboss aus Deutschland so laut das Hohelied der Elektrifizierung sinkt und so nachhaltig für die Verkehrswende eintritt, will er die Faszination am Fahren in die neue Zeit retten.

,,Das Auto bleibt ein Kulturgut und wird muss auch in Zukunft mehr sein als nur ein Transportmittel", sagt der VW-Chef und will diesen Anspruch fest in der Konzernstrategie verankern. Nicht nur Vernunft und Nachhaltigkeit, sondern auch Vergnügen soll da hinein und die Freiheit, die mit dem Fahren einhergeht. Ob sich all das langfristig retten lässt und es auch in 30 Jahren noch Oldtimer-Rallyes gibt, bei denen dann Autos wie der ID.3 mitfahren? Dafür mag bei der Stella Alpina niemand die Hand ins Feuer legen. Doch zumindest auf absehbare Zeit ist die Zukunft gesichert. Denn im nächsten Jahr, da sind sich alle Teilnehmer einig, sind sie wieder am Start.

Dieser Artikel aus der Kategorie NEWS wurde von Benjamin Bessinger/SP-X am 18.06.2021, 13:38 Uhr veröffentlicht.