MOTOR-EXCLUSIVE

Benjamin Bessinger/SP-X - 5. Juni 2020, 12:33 Uhr NEWS

Panorama: Mini Countryman by X-raid - Dreckskerl und stolz darauf

Von wegen Großstadtdschungel. Mit seinen Siegen bei der Rallye Dakar hat das Team X-Raid bewiesen, dass der Stadtflitzer auch im Sand eine feste Größe ist. Zwar haben die Rennwagen mit dem Kundenauto nicht viel mehr gemein als die Frontscheibe, die Scheinwerfer und das Markenlogo. Doch jetzt nehmen sich die Rallye-Recken auch den konventionellen Countryman vor. 

 Der Höhenmesser zeigt 4.000 Meter, die Luft ist merklich dünner und was sie hier in Südamerika so Straße nennen, ist eine Schotterstrecke der schlechten Sorte, mit knöcheltiefen Löchern und Steinen groß wie Fußbällen, nur nicht so glatt. Für echte Geländewagen wie einen Land Rover Defender oder zur Not auch einen BMW X5 mag das das perfekte Geläuf sein. Doch Sven Quandt und sein Team sind hier im Mini Countryman unterwegs. Denn Quandt leitet das Team X-Raid und jagt mit seiner Mannschaft der Rallye Dakar hinterher. Und weil das Rennteam schon seit Jahren mit mächtig modifizierten Minis startet, muss der Tross ebenfalls Mini fahren: Deshalb quält sich der Countryman mal nicht durch den Dschungel der Großstadt, sondern macht Abenteuerurlaub in den Anden. Dort schlägt er sich allerdings mehr schlecht als recht, und weil den Mechanikern irgendwann die Lust vergangen ist, in dieser dünnen Luft ständig die Reifen zu wechseln, haben sie den Briten über die Jahre ein bisschen optimiert.

Anders als bei den Rennwagen, die oft nur noch die Frontscheibe, die Scheinwerfer und das Logo vom Serienauto übernehmen und ansonsten ein eigenes Karbon- oder Gitterrohr-Chassis samt exklusivem Antrieb und neuer Kunststoff-Hülle bekommen, sind die Countrymänner im X-raid-Trimm zwar noch halbwegs original. Doch mit ein paar winzigen, aber umso wirkungsvolleren Umbauten wird der Dandy zum Dreckskerl und folgt den Herren Carlos Sainz und Stéphane Peterhansel in ihren siegreichen Mini Buggys nun ebenso schnell wie klaglos. 

Dummerweise leidet auch x-Raid unter dem Lockdown und nachdem in diesem Frühjahr so ziemlich alle Rallyes abgesagt wurden, ging dem Team in Trebur irgendwann die Arbeit aus. Da haben sich die Ingenieure an die vielen neugierigen Fragen erinnert, die sie bei jedem Zwischenstopp auch zu ihren Begleitfahrzeugen gestellt bekommen haben, und daraus eine neue Geschäftsidee entwickelt: Den Countryman by X-Raid. Alles, was sie in einem Jahrzehnt Rallye-Begleitung gelernt haben, ist in ein Umbau-Kit eingeflossen, das sie jetzt zur Nachrüstung anbieten. Für einen Paketpreis von rund 6.000 Euro bauen sie dann jeden Countryman außer dem John Cooper Works-Modell zu einem Draufgänger um, der seine Abenteuer nicht nur im Dschungel der Großstadt sucht. Und wer sein Auto nicht ins hessische Trebur bringen will, lässt sich die gestaffelten Pakete einfach zum Händler seines Vertrauens liefern oder baut sie gleich selber ein.

Was den Countryman by X-raid buchstäblich aus dem Feld seiner Serienbrüder hebt, sind ein modifiziertes Fahrwerk samt neuer Felgen und anderer Reifen - denn zusammen gewinnt der kleine Brite damit stolze vier Zentimeter Bodenfreiheit, die ihm über viele Hürden hilft. Schließlich ist das in etwa doppelt so viel Zugewinn, wie es den sonst bei Abenteuer-Ablegern wie den Scout-Modellen von Skoda oder den Cross-Modellen von VW gibt. Und weil die Reifen erstens eine stabilere Flanke haben und zweitens von einem zusätzlichen Ring auf der Felge geschützt sind, riskiert man obendrein seltener einen Platten und entsprechend weniger Pannen-Pausen. Weil aber auch dem besten Reifen im harten Gelände mal die Luft ausgehen kann, hat X-raid gleich auch noch einen neuen Dachträger entwickelt. Auf dem man ohne Platzeinbußen Ersatz lagern kann. Und bei ausgedehnten Shopping-Trips kann im Mini ein bisschen mehr Ladekapazität ja auch nicht schaden. Dazu gibt's ein paar Suchscheinwerfer im Kühlergrill und weil auch im Matsch die Mode nicht auf der Strecke bleiben darf, ein bisschen Zierrat, der mit dem leuchtenden Orange des X-raid-Teams einen hübschen Kontrast zu den pianoschwarzen Anbauteilen aus dem Mini-Programm bildet. 

Natürlich machen auch vier Zentimeter mehr Bodenfreiheit aus dem kleinen Lifestyle-SUV keinen großen Geländegänger. Doch der Unterschied ist spürbar. Und zwar nicht nur, weil man bequemer einsteigen und besser rausschauen kann. Vor allem, weil man sich beim Fahren jetzt weniger Sorgen macht und später anhält: Wo beim konventionellen Countryman die Landlust nur im Namen steckt, kann man sie bei diesem kleinen Dreckskerl auch ein bisschen ausleben, ohne gleich einen Plattfuß oder eine Schramme in den empfindlichen Alus zu riskieren. Und wo andere Großstädter die letzten Meter bis zum Badesee oder Berghütte laufen müssen, fährt man im X-raid-Mini ganz souverän bis ganz ans Ziel und wirbelt dort gleich noch ein bisschen Dreck auf. 

Spätestens wenn durchs Bodenblech ein paar Grashalme die Fußsohlen kitzeln, in den Radkästen die Kiesel rasseln und im Rückspiegel nichts mehr zu sehen ist außer einer gehörigen Schleppe Staub, dann springt auch das Kino im Kopf an: Plötzlich fühlt sich selbst die Pfalz verdammt nach Pampa an, das Alpenvorland hat was von den Anden und die Wüste beginnt gleich hinter Wuppertal - Dakar ist in diesem Auto keine Frage für Erdkunde, sondern eine Sache der Einstellung. 

Dieser Artikel aus der Kategorie NEWS wurde von Benjamin Bessinger/SP-X am 05.06.2020, 12:33 Uhr veröffentlicht.