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6Test: Niu KQi 300P  - Nicht nur für die letzte Meile
E-Roller wie der Niu KQi haben einen hohen Reifegrad erreicht Foto: Niu
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Holger Holzer/SP-X - 1. Oktober 2024, 15:08 Uhr NEWS

Test: Niu KQi 300P - Nicht nur für die letzte Meile

Handlicher als ein Fahrrad, bequemer als zu Fuß: E-Scooter haben sich ihre Nische im City-Verkehr erobert. Technik und Komfort sind zumindest in der Tretroller-Mittelklasse mittlerweile auf hohem Niveau, wie der Niu KQi 300P zeigt.  

Elektrische Tretroller haben sich mittlerweile auch jenseits der Verleihsysteme als urbane Alltagsfahrzeuge etabliert. Auch, weil sie sich bei Technik und Komfort in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt haben. Zu sehen ist das unter anderem beim neuen KQi 300P des chinesischen Herstellers Niu. Das rund 700 Euro (UVP) teure Mittelklassemodell überzeugt vor allem mit bequemer Federung und solider Verarbeitung. Auf eine Neuerung hätte es aber vielleicht besser verzichtet.  

In Nius KQi-Serie positioniert sich der Neue und sein etwas leistungsstärkeres Schwestermodell 300X preislich knapp oberhalb der älteren KQi3-Modelle, die weiterhin im Angebot sind. Wobei sich der Aufpreis von rund 100 Euro in jedem Fall lohnt. Allein schon wegen der gefederten Gabel, die den Fahrkomfort in den 300er-Versionen in Verbindung mit den großen Luftreifen (10,5 Zoll) deutlich verbessern. Gelegentliche Schotter-Passagen, unebene Pflaster oder durch Wurzeln aufgeworfenen Asphalt steckt der Neue gelassener weg, was letztlich auch der Fahrsicherheit zugutekommt.  

Für ein gute Gefühl sorgt auch die insgesamt sehr gute und stabil wirkende Verarbeitung. Das Scharnier zum Umlegen der Lenkstange ist gleichzeitig solide und einfach mit einer Hand zu bedienen, das rutschfest beplankte Trittbrett groß und der Lenker breiter als bei vielen Konkurrenten, was die Kontrolle nicht nur in der Kurve verbessert. Auch auf unebener Straße klappert und knirscht beim Niu nichts, selbst die ringförmige LED-Frontleuchte sitzt fester als bei so manchem Fahrrad. Entsprechend üppige 120 Kilo darf der Fahrer wiegen – der Niu macht dabei den Eindruck, dass das eher vorsichtig gerechnet ist. Gebremst wird über zwei klassische Handhebel, die kräftig auf Scheibenbremsen am Vorder- beziehungsweise Hinterrad wirken, sich dabei aber gut dosieren lassen. Dazu kommt eine Motorbremse, die einsetzt, wenn der Fahrer Gas wegnimmt.  

Eine Neuerung gegenüber dem Vorgängermodell und eine Abweichung vom Branchen-Standard ist der Drehgashebel. Dabei ist der rechte Handgriff geteilt in einen festen und einen beweglichen Teil, der den Gasbefehl des Fahrers entgegennimmt. Im Vergleich mit dem klassischen Daumengas ist die Drehbewegung allerdings schlechter zu dosieren, vor allem für Ungeübte, die versehentlich auch mal stärker beschleunigen als eigentlich gewollt. Denn der Motor im Hinterrad geht durchaus druckvoll zu Werke und bietet ab Start eine kraftvolle Beschleunigung. Einen Vorteil bietet das Handgas hingegen auf Langstrecken mit gleichmäßiger Geschwindigkeit, wo ansonsten schon mal Daumenschmerzen aufkommen können. Unterm Strich würden wir die klassische Gas-Lösung aber deutlich vorziehen. Unsichere Interessenten sollten auf eine ausgiebige Probefahrt nicht verzichten.  

Diese dürfte der Niu ansonsten problemlos absolvieren. Neben dem Fahrkomfort gefällt vor allem der 450 Watt (kurzzeitig 900 W) starke Motor, der auch an schwereren Steigungen (der Hersteller verspricht eine Steigfähigkeit bis 20 Prozent) nicht in die Knie geht. Auch Tiefgaragen-Rampen – mit anderen Tretrollern oft eine Geduldsprobe – packt er locker ohne Tempoverlust. Wer nicht grade in Wuppertal, Stuttgart oder dem Voralpenland wohnt, dürfte gut zurechtkommen. Für schwierigeres Geläuf bietet Niu mit dem 300X ein 500 Watt (kurzzeitig 1.000 W) starkes Modell für rund 100 Euro Aufpreis an, das bis 25 Prozent Steigung toleriert. Die Normreichweite – beim 300P sind es 48 Kilometer - ist in hügeligem Gelände nicht zu erreichen, trotzdem dürfte die Akku-Kapazität für die meisten Anwender locker ausreichen. Aufgeladen wird der im Trittbrett fest integrierte Akku binnen 5 Stunden.  

Bei Abmessungen und Gewicht verlangt die solide Bauart ein paar Kompromisse. Mit Faltmaßen von 1,17 Meter mal 54 Zentimeter mal 54 Zentimeter passt der Niu nicht in jeden Kleinwagen-Kofferraum; beim Verstauen stört vor allem der breite Lenker. Und das Gewicht von knapp 21 Kilogramm inklusive Batterie macht zudem das Hochwuchten und Tragen schwer. Prinzipiell kann man den Niu aber auch mal unbewacht stehen lassen, denn die kostenlos herunterladbare App mit Bluetooth-Verbindung bietet neben zahlreichen weiteren Funktionen eine elektronische Wegfahrsperre, die sich relativ geschmeidig nutzen lässt. Innerhalb weniger Sekunden sind Smartphone und Roller verbunden, anschließend reicht ein kurzer Tipp auf den Bildschirm und der Scooter erwacht zum Leben. Bewegt jemand unautorisiert den stehenden Niu, ertönt ein Alarm, der zumindest tagsüber in belebten Gegenden einigermaßen abschreckend sein dürfte. Zusätzlich lässt sich an den Speichen des Vorderrades oder an den Federbeinen ein – nicht mitgeliefertes - Kabelschloss anbringen.  

Neben der Wegfahrsperre bietet die App einige weitere Funktionen, die teilweise mehr als Spielerei sind. So lässt sich etwa zur Batterieschonung ein Ladelimit bei 80 oder 90 Prozent einstellen oder die Höchstgeschwindigkeit beziehungsweise die Beschleunigung begrenzen. Für Vielfahrer interessant sein dürfte auch die Tempomat-Funktion, die nach fünf Sekunden die aktuelle Geschwindigkeit bis zur ersten Nutzung der Bremse hält.  

Verarbeitung, Funktionsumfang und Motorleistung stimmen beim Niu KQi300P. Und auch der Preis passt angesichts des Gebotenen – viele Händler und teils auch Niu bieten den Roller zeitweise für Preise ab 600 Euro oder darunter an. Gegen den chinesischen Scooter könnten in den Augen einiger Kunden das hohe Gewicht und das ungewohnte Handgas sprechen.



Technische Daten – Niu KQI300P:  

Länge/Breite/Höhe: 1,17 Meter x 0,54 Meter x 1,23 Meter; Höhe gefaltet: 0,54 Meter; Breite Deck: 0,165 Meter, Gewicht: 20,85 Kilogramm, Maximales Fahrergewicht: 120 Kilogramm; Reifengröße: 267 x 64 Millimeter; Scheibenbremsen hinten und vorne plus Rekuperationsbremse hinten, Wasserbeständigkeit: IP55

Elektroantrieb am Hinterrad mit 450 W Nennleistung (maximale Leistung 900 W); 48-Volt-Batterie mit 486,7 Wh/10.4 Ah, Ladedauer: 5 h; Reichweite: 48 Kilometer, Vmax: 20 km/h; UVP: 699 Euro. 

Dieser Artikel aus der Kategorie NEWS wurde von Holger Holzer/SP-X am 01.10.2024, 15:08 Uhr veröffentlicht.