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Neuwagenmarkt - Die Preisprobleme der Autohersteller
Der Leapmotor T03 könnte die Preisstruktur auf dem deutschen Neuwagenmarkt durcheinander bringen Foto: Leapmotor
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Holger Holzer/SP-X - 2. Oktober 2024, 15:46 Uhr NEWS

Neuwagenmarkt - Die Preisprobleme der Autohersteller

Die Autobranche blickt auf harte Zeiten voraus. Vor allem die deutschen Hersteller sind in Bedrängnis. Für den Neuwagenkäufer muss das aber nicht schlecht sein.

Während Autohersteller und Handel mit Sorgenfalten auf den Pkw-Markt der kommenden Monate blicken, darf die potenzielle Kundschaft sich entspannt zurücklehnen. Und zunehmend umworben fühlen. Vor allem, wenn sie ein E-Auto kaufen will.

Lief das erste Halbjahr auf dem deutschen Pkw-Markt noch einigermaßen gut, droht für den Rest von 2024 nun ein empfindlicher Einbruch. Angesichts von Inflation und „Polykrise“ lässt die Kauflust der Kundschaft nach, positive Sondereffekte wie die vorgezogenen Neuzulassungen aufgrund strengerer Regeln bei Cybersicherheit und Abgas spielen seit dem Sommer keine Rolle mehr. Nicht nur in Deutschland gehen die Neuzulassungen zurück, auch im Rest Europas sinkt die Laune der Hersteller beim Blick auf ihre Absatzzahlen.

Neben dem mauen Konsumklima spielt dabei auch das immer höhere Preisniveau eine Rolle: In den vergangenen Jahren hat die Industrie das Angebot an günstigen Modellen ausgedünnt oder wie im Falle des E-Autos nie ernsthaft aufgebaut. Die aktuellen Einstiegspreise, die selbst in der Kompaktklasse meist oberhalb von 30.000 Euro liegen, will kaum ein Kunde zahlen. Für weniger als 10.000 Euro ist zurzeit selbst bei Billiganbieter Dacia nichts mehr zu bekommen. Die Politik der hohen Preise ging so lange gut, wie Chipkrise und Ukraine-Krieg die Fahrzeugproduktion behinderten und die Nachfrage das Angebot überstieg.

Doch jetzt kämpfen die Autohersteller nicht mehr mit Teileknappheit, sondern eher mit zu hohen Produktionskapazitäten. Die klassische Lösung in solch einem Fall sind Preissenkungen und Rabatte. Lange nicht gekannte Sonderangebote mit überhöhten „Eintausch“-Prämien für das Altauto oder vierstelligen Preisabschlägen feiern ein Comeback.

Aus dem Verkäufermarkt ist nach Ende der Lieferkrise nun endgültig ein Käufermarkt geworden. "Der Privatmarkt kommt wieder mehr in den Fokus der Hersteller. Und diese müssen sich in wirtschaftlich harten Zeiten mit Rabatten um die Gunst der Kunden bemühen. Die rosigen Zustände der letzten zwei Jahre, in denen ihnen die Fahrzeuge zu jedem Preis aus den Händen gerissen wurden, sind vorbei“, fasst Dataforce-Analyst Julian Litzinger die aktuelle Situation zusammen.

Während aktuell vor allem ältere Diesel und Benziner günstig zu haben sind, ist in den kommenden Wochen zunehmend mit attraktiven E-Autoangeboten zu rechnen. Denn den grade komfortablen Abverkauf von Verbrennern kann sich die Industrie im kommenden Jahr in Europa nicht mehr ohne weiteres leisten, da die CO2-Flottengrenzwerte das erste Mal seit langem kräftig anziehen. Wer dann zu wenig emissionsfreie Pkw im Verkaufsmix hat, zahlt nach aktuellem Stand empfindliche Strafen. „Um diese zu vermeiden, braucht es eine Steigerung der Elektroautoverkäufe und damit Preiszugeständnisse“, prognostiziert Branchenexperte Professor Ferdinand Dudenhöffer. Als einer der ersten Hersteller ist nun VW vorangeprescht: Zunächst bis Ende des Jahres drücken die Wolfsburger den Einstiegspreis für ihren ID.3 unter die 30.000-Euro-Hürde. Zugelassen wird ein Großteil der nun bestellten Autos erst im kommenden Jahr – so dass sie in die CO2-Statistik einfließen.

Bei den Wolfsburgern und weiteren Herstellern könnte aber auch ein anderer Ansatz im Spiel sein, glaubt Dudenhöffer. Statt die E-Autos billiger zu machen, verteuert man die konventionell angetriebenen Modelle. „Also keine höheren Rabatte auf Elektroautos, sondern höhere Listenpreise für Verbrenner“, fasst Dudenhöffer die Strategie zusammen, die er zu erkennen glaubt. „Inwieweit sich die höheren Listenpreise für Verbrenner am Markt umsetzen lassen werden die nächsten Monate zeigen.“

Außer durch Rabatte könnte die E-Mobilität auch durch neue günstige Modelle einen Schub erhalten. Erwartet werden 2025 unter anderem preiswerte Stromer wie Fiat Pandina, Nissan Micra und Hyundai Inster. Und auch die drei Budget-Elektriker von VW, Cupra und Skoda stehen zumindest in den Startlöchern. Dazu kommen auch für Dienstwagenfahrer interessante Autos wie der Audi A6 E-Tron, die Neue Klasse von BMW oder die neuen Batteriemodelle von Mercedes. Gerade die drei letztgenannten Hersteller können sich zudem Hoffnung auf ein Anziehen der Nachfrage bei Gewerbekunden machen. Denn viele Leasing-Verträge aus den Elektroauto-Boomjahren zu Anfang des Jahrzehnts laufen 2025 aus und schaffen Bedarf für Ersatz.

Für Unwägbarkeiten sorgt mit Blick auf 2025 allerdings die Weltpolitik. So steht in den USA eine Präsidentenwahl an, deren konkrete Ergebnisse nicht nur für die Autoindustrie von großer Bedeutung sind. Und am anderen Ende des Ost-West-Spektrums schwelt weiterhin der Streit um die Strafzölle auf chinesische E-Autos. Die von der EU beschlossenen Sonderabgaben sind noch bis November nur von vorläufiger Natur, könnten danach aber dauerhaft etabliert werden und für Gegenreaktionen aus Fernost sorgen – mit möglicherweise ernsten Folgen für die schwächelnden Autoexport-Champions aus Deutschland. Zuletzt hatten gleich mehrere Konzerne ihre Gewinnprognosen nach unten korrigieren müssen, weil die Geschäfte in Fernost, aber auch in den USA, nicht wie gewohnt laufen.

Eine andere China-Sorge hingegen hat sich etwas entspannt: Dass die Chinesen mit günstigen Autos den westlichen Markt überrollen. Zuletzt zumindest stockte die Offensive in Deutschland, verharrte der Marktanteil bei rund einem Prozent. MG, BYD und Co. leiden zum einen unter einer schwachen E-Mobil-Nachfrage, aber auch unter geringer Markenbekanntheit, fehlender Vertriebsstruktur und ausbaufähigem Image. Dass sie Deutschlands Pkw-Markt bereits kurzfristig aufrollen, ist aktuell trotz technisch durchaus konkurrenzfähiger Modelle unwahrscheinlich.

Mittel- und langfristig dürften die Chinesen mit Werken in Europa aber an Einfuhrhürden vorbei die etablierten Hersteller unter Druck setzen. Wie schnell das gelingt, lässt sich in den kommenden Monaten auch bei der neuen Stellantis-Tochter Leapmotor verfolgen, die ihre China-Stromer strafzollfrei in Polen endmontiert und hierzulande zur günstigen Alternativ zu den westlichen Konzernmarken Opel, Citroen und Fiat aufgebaut werden soll. Bei einem Startpreis von 19.000 Euro überzeugt zumindest das Startmodell T03 mit ordentlicher Reichweite und gutem ersten Qualitätseindruck.  

Während der Multimarken-Gigant Stellantis also auf noch mehr Volumen hofft und Platzhirsch Volkswagen unter Druck setzt, ziehen sich andere Hersteller angesichts der zu erwartenden Dominanz der beiden Konzerne zunehmend in den Premium- und Luxusbereich zurück. Am deutlichsten ist das bei Ford zu sehen: Massentaugliche Modelle wie den Fiesta haben die Amerikaner bereits gestrichen, statt Focus und Mondeo sollen die Kunden künftig E-Autos wie den Explorer und Lifestylemobile wie Mustang oder Bronco kaufen. Ob das Kalkül aufgeht, bleibt abzuwarten. Nach einige Verzögerung ist jetzt zumindest die Produktion in Köln angelaufen.

Ganz ohne Risiko ist der Weg nach oben allerdings nicht, wie zuletzt ein paar Klassen höher Mercedes registriert hat. Der Versuch der Stuttgarter, von einer Premium- zur Luxusmarke zu werden, ist angesichts schleppender Verkäufe in China noch nicht als gelungen zu bezeichnen. Gerade bei den dort wichtigen E-Autos fehlt der Marke mit dem Stern bislang ein voll überzeugendes Angebot.

Den deutschen Neuwagenkunden muss das alles nicht beunruhigen. So komfortabel wie in den kommenden Monaten war die Situation für Autokäufer schon lange nicht mehr. Speziell für E-Auto-Interessenten sind gute Marktbedingungen in Sicht.

Dieser Artikel aus der Kategorie NEWS wurde von Holger Holzer/SP-X am 02.10.2024, 15:46 Uhr veröffentlicht.