MOTOR-EXCLUSIVE

Benjamin Bessinger/SP-X - 18. September 2020, 13:35 Uhr NEWS

Panorama: Mit dem Mini Moke auf der Creme 21 - Das flutscht

hätzfragen statt Slalom, Pantomime statt Passstraßen auf Zeit: Die Creme 21 ist keine Oldtimer-Rallye wie alle anderen. Und ihre Autos erst recht nicht. Mit einem Mini Moke ist man im eigenwilligen Starterfeld deshalb bestens aufgehoben.

Der kritische Blick unter die Motorhaube, ein letzter Griff zum Ölstand und das immer gleiche Ritual beim Anlassen - auf den ersten Blick sieht er hier auf den Parkplatz vor dem Stadion in Ingolstadt aus wie im Park Fermée vor jeder Oldtimer Rallye. Doch auf den zweiten Blick kommt der geneigte PS-Fan ins Grübeln. Die Autos sind zwar Raritäten, aber für Klassiker viel zu jung, und ihre Fahrer, nun ja, eher skurril. Und wo man sonst bisweilen Rennanzüge sieht, Lederkappen und Fliegerbrillen, stolpert das Aug hier allerorten über Schlaghosen, Blümchenblusen und Kopfbedeckungen in leuchtendem Orange. Denn das ist keine Rallye wie jede andere. Das ist die Creme 21, die größte und bekannteste Youngtimer-Rallye im Land, und die einzige namhafte Veranstaltung, die es trotz Corona in diesem schrägen Sommer tatsächlich auf die Straße geschafft hat.

Rund 160 Relikte aus den Achtzigern und Neunzigern, von der Ente bis zum Elfer, vom Toyota Celica bis zum T-Modell des Mercedes 124, vom Käfer bis zum Chrysler Le Baron sind dafür vier Tage und rund 1.000 Kilometer durch Bayern gefahren und haben derweil Corona genauso vergessen wie Greta und ihre Klima-Sorgen.

Und dabei jede Menge Spaß gehabt. Denn genau wie ihre Autos nehmen sich auch ihre Besitzer nicht ganz so ernst, und wo bei anderen Rallyes Wertungsprüfungen und Geschicklichkeitsprüfungen auf die Hundertstelsekunde genau gefahren werden müssen, herrscht bei der Creme21 eine Stimmung wie auf einem Kindergeburtstag für Große. Kein Wunder, wenn die Teilnehmer stattdessen zur nächtlichen Pantomime im trüben Licht ihrer Scheinwerfer antreten oder den Inhalt von einem Dutzend Dosen allein am Geräusch erraten müssen - natürlich immer in genau 21 Sekunden.

Dabei mögen die Autos nicht so wertvoll sein wie die Klassiker bei Mille Miglia & Co. Denn von den beiden Z8 aus dem BMW-Fuhrpark einmal abgesehen, kommt kaum ein Teilnehmer in die zweite Hälfte fünfstelliger Summen. Aber dafür halten Ford Capri oder Fiat Panda, Opel Vectra oder VW Golf Country länger durch. Klar, gibt es auch bei der Creme 21 morgens ein paar Ölflecken in der Hotelgarage, und ein bisschen Arbeit haben die Pannenhelfer auch. Doch wo sonst oft alle paar Kilometer ein Ausfall zu beklagen ist, kommen bei der Creme fast alle Autos ins Ziel.

Und wer glaubt, mit einem Youngtimer sei so eine Rallye ein Spaziergang, der hat die Rechnung ohne den Mini Moke gemacht. Im BMW Z1, in der Corvette, im DeLorean, Saab Turbo oder im Golf GTI sind die 1.000 Kilometer durch Bayern tatsächlich ein Sonntagsspaziergang, aber im Mini werden sie zur maximalen Herausforderung. Schließlich röchelt unter der kantigen Haube ein Vierzylinder von gerade mal 900 Kubik, dem nur mit schwerem Gasfuß und hoher Drehzahl 34 PS abzuringen sind.

Aber was dem Motor an Leistung fehlt, macht man als Fahrer mit Wagemut wett und mit Wahnsinn und wenn dann noch das Outfit stimmt, wird man ohnehin zum Sieger der Herzen und hat schon vor dem Losfahren gewonnen. Außerdem fühlen sie die mit viel Anlauf und Rückenwind zu erreichenden 100 km/h auf den vier Gartenstühlen ohne Seitenhalt so schnell an, als würde der Z8 mit Vollgas und 250 km/h über einen Feldweg fegen.

Das liegt an der radikal reduzierten Konstruktion des Moke, der ursprünglich mal für das Militär entwickelt und in den wilden Siebzigern zum Lieblingsauto der Strandjugend geworden ist: Egal ob St. Tropez oder St. Barts - wer was auf sich gehalten hat unter den Schönen und spärlich bekleideten, der fuhr nicht im Maserati oder Mercedes über die Promenade, sondern im Mini Moke.

Denn viel näher konnte man der Sonne am Steuer kaum kommen. Wo andere Autos eine feste Karosserie und allenfalls ein Faltdach haben, lässt der Mini Moke buchstäblich alle Hüllen fallen: Nur die für einen Mini beinahe riesige Frontscheibe und eine dünne Plane schützt vor Wind und Wetter. Die Karosserie beschränkt sich auf Bodenblech, Kotflügel und einen Seitenschweller, der kaum bis an die Waden reicht. Wird das Hauszelt über den Sitzen abgebaut, genießt man mehr Platz, als man je in einem anderen Mini hatte. Nirgends schabt die Schulter an der Scheibe, selbst im Fond stößt kein Knie an, und auch die Kopffreiheit ist endlich unendlich.

Außerdem gibt es wohl keine Mini-Spielart, bei der das ohnehin schon legendäre Fahrgefühl noch näher am Go-Kart ist. Zwar klingt der kleine Vierzylinder vorn unter der Haube mittlerweile etwas asthmatisch, der dürre Schaltknüppel klackert nur noch widerwillig durch die vier Gänge und wann der Klassiker das letzte Mal die Spitzenmarkierung von 140 km/h auf dem großen Tacho erreicht hat, wissen allein die Götter. Doch wenn man bei Tempo 50 frei im Wind sitzt, will man gar nicht schneller fahren - und ist schon froh, wenn man das Ziel vor dem Besenwagen erreicht und nicht schon die letzte Büchse Bier ausgetrunken ist.

Zwar mögen sie bei den anderen, vermeintlich ernsthaften Oldtimer-Rallyes über die Creme sonst abfällig lachen. Doch in diesem Jahr begleitet die orange Truppe eher ein gewisser Neid. Denn das Team hat es geschafft, alle Corona-Regeln umzusetzen und alle Hygiene-Auflagen zu beachten. Dass man sich im Moke dabei vielleicht ein bisschen näherkommt als es gerade gut ist, tut der Sache keinen Abbruch. Denn was einem der Mini an Distanz verwehrt, kompensiert er mit Frischluft und Viren haben bei diesem Wind keine Chance.

Nach vier Tagen rollt die Karawane deshalb glücklich vor dem BMW-Museum in München aus, und noch einmal starten nach den Autos auch die Teams zum Schaulaufen, präsentieren sich und ihr schrägen Klamotten. Bis sie wieder unter ihren Motorhauben verschwinden: Abschmieren, auskühlen, polieren - so schräg die Creme 21 auch sein mag: Wenn es um die Liebe zum Auto geht, stehen die Youngtimer-Fans den andern Oldtimer-Liebhabern in nichts nach.

Dieser Artikel aus der Kategorie NEWS wurde von Benjamin Bessinger/SP-X am 18.09.2020, 13:35 Uhr veröffentlicht.