MOTOR-EXCLUSIVE

Europäischer Zweiradmarkt  - Im Zeichen der Roller
In vielen Ländern Europas gefragt: Die Vespa 300 GTS Foto: Piaggio
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Thilo Kozik/SP-X - 15. Februar 2022, 14:15 Uhr NEWS

Europäischer Zweiradmarkt - Im Zeichen der Roller

Im vergangenen Jahr haben sich die europäischen Motorradmärkte prächtig erholt. Unter den fünf Ländern mit den meisten Zulassungen stellt allerdings ausgerechnet Deutschland den negativen Ausreißer.

Zu Jahresbeginn gab es vom Verband der europäischen Motorradhersteller ACEM (Association des Constructeurs Européens de Motocycles) eine hoffnungsvolle Nachricht: Die Neuzulassungen von motorisierten Zweirädern (Motorräder und Roller ab 125 Kubik) haben in den wichtigsten europäischen Märkten im abgelaufenen Jahr das Niveau von 2019 übertroffen, liegen somit höher als vor der Pandemie.

Die Neuzulassungen in den fünf größten Märkten - Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien machen zusammen rund 80 Prozent des europäischen Gesamtvolumens aus - stiegen um 7,8 Prozent auf 949.400 Einheiten, nach 880.700 im Jahr 2020. Einziger negativer Ausreißer unter den großen Fünf war Deutschland. Nach einem sehr guten Jahr 2020 mit einem historischen Zulassungsrekord von 220.426 Einheiten hat der deutsche Markt entgegen dem europaweiten Trend deutlich Federn gelassen: 199.100 neu zugelassene motorisierte Zweiräder bedeuten einen Rückgang um 9,7 Prozent.

Fast alle anderen wichtigen nationalen Motorradmärkte verzeichneten 2021 dagegen einen merklichen Anstieg des Absatzes, wobei Italien seine Führungsposition ausbauen konnte: Mit insgesamt 269.600 zugelassenen Fahrzeugen und einem Wachstum von 23,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr blieb es Europas Zweiradland Nummer Eins. Frankreich, der zweitgrößte Markt, wuchs um 8,5 Prozent (206.950 Motorräder); die Motorradmärkte in Spanien und Großbritannien legten um 8,0 beziehungsweise 10,2 Prozent zu. Auch die benachbarten Alpenländer zeigten sich nach der Corona-Krise stabil: In der Schweiz notierten die Statistiker ein Plus von 13 Prozent auf 56.375 Einheiten, während in Österreich mit 44.747 Neuzulassungen ein leichter Rückgang von 2,9 Prozent verzeichnet wurde.

Im EU-Ranking behauptet Deutschland trotz des großen Zulassungsrückgangs den dritten Rang hinter Italien und Frankreich. Für Reiner Brendicke, den Hauptgeschäftsführer des Industrieverband Motorrad IVM, liegen die Ursachen für das Minus in den Sondereffekten des Vorjahres: Zum einen hatte der Start des B196-Führerscheins am 1. Januar 2020 zusätzlich für Anschaffungsbedarf von Leichtkrafträdern in den Fahrschulen und bei Endverbrauchern gesorgt, zum anderen befeuerte Corona den Umstieg aufs Zweirad. Hinzu kam der Wechsel der Homologationsnorm von Euro 4 auf Euro 5 zum 1. Januar 2021, dem der Handel mit Tageszulassungen der Euro-4-Modelle im Vorfeld begegnete. Die wurden dann erst im Frühjahr 2021 tatsächlich an den Endkunden verkauft, schönten aber die Statistik 2020.

Doch nicht nur die europäischen Zulassungszahlen differierten 2021 erheblich, auch bei den nachgefragten Modellen gab es große Unterschiede. So führt in Deutschland die BMW Boxer-GS seit vielen Jahren die Statistik an, deutlich zugelegt haben aber die Roller. Die Vespa GTS 300 Super kommt mit 6.604 Einheiten der GS (9.377 Stück) näher als jedes Motorrad.

Europas größter Zweiradmarkt Italien wird dagegen traditionell von Rollern dominiert. Doch nicht etwa von der kultigen Vespa, vielmehr gehen die ersten drei Plätze in der Zulassungsstatistik an das Honda Großradroller-Trio SH125, 350 und 150. Obwohl Frankreich kein klassisches Rollerland ist, liegt hier der Honda-Roller Forza 125 auf Platz Eins, knapp gefolgt von Yamahas Mittelklasse-Roadster MT-07. Der viertgrößte Zweiradmarkt des Kontinents, Spanien, wird trotz der Affinität zum Motorradsport und einer Vielzahl nationaler Racinghelden ebenfalls von Rollern beherrscht. Auf den ersten acht Plätzen finden sich daher ausschließlich Roller.

Die langjährige Motorradtradition und nach wie vor große Begeisterung für Motorradrennen auf den britischen Inseln schlagen sich in der Beliebtheit der Modelle nicht nieder. Im Gegenteil: Auch hier belegen die Scooter die ersten Plätze der Zulassungs-Hitliste. Die Yamaha NMAX 125 liegt hier vor Hondas ähnlich konzipiertem Leichtkraftroller PCX125 und dem Leichtkraftrad Honda CBF 125.

In Österreich macht sich die Nähe zu Italien durch die Hinwendung zur Marke Vespa bemerkbar. Die Marke des Piaggio-Konzerns ist zum Marktführer aufgestiegen. Die GTS 125 liegt praktisch gleichauf mit der 300er-GTS, gefolgt von der Vespa Primavera 125. Erst auf Platz Sieben kommt das erste Motorrad - die BMW R 1250 GS. In der Schweiz stehen 125er wegen einer Führerscheinnovelle hoch im Kurs. Vespa Primavera 125 und Yamaha NMAX verweisen die Yamaha MT-07 auf den dritten Platz. Interessanterweise taucht der vermeintliche Alpenkönig BMW R 1250 GS in der Gesamtliste erst auf Platz Elf auf; rechnet man die in der Schweizer Statistik separat geführte Adventure dem Basismodell jedoch hinzu, belegt der Bayern-Boxer insgesamt den zweiten Platz.

Dieser Artikel aus der Kategorie NEWS wurde von Thilo Kozik/SP-X am 15.02.2022, 14:15 Uhr veröffentlicht.