MOTOR-EXCLUSIVE

,,Preiskrieg
BYD hat den Preis für die Limousine Han kürzlich massiv gesenkt Foto: BYD
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Holger Holzer/SP-X - 21. Februar 2024, 16:45 Uhr NEWS

,,Preiskrieg" auf dem E-Automarkt - Gewinner ist der Kunde - auf jeden Fall kurzfristig

Unter den E-Autoherstellern geht die Angst vor einem ,,Preiskrieg' um. Möglicherweise stecken wir auch schon mittendrin.

5.000. 7.000, teils gar 10.000 Euro: Nach dem Förderaus gibt es dicke Rabatte auf elektrische Neuwagen. Die Hersteller wollen so die nachlassende Nachfrage ankurbeln, Experten und Manager rechnen mit einem Neuzulassungs-Rückgang um 200.000 Einheiten gegenüber 2023. Gleichzeitig drängen die Chinesen mit günstigen Elektromodellen auf den Markt. Und Tesla quält die Konkurrenz schon seit Monaten mit einer verwirrenden Preispolitik. Das Wort vom ,,Preiskrieg" macht bereits die Runde. Doch was bedeutet das für Verbraucher und Industrie?

Was ist ein Preiskrieg?
Auch wenn es so klingen mag: ,,Preiskrieg" stammt nicht aus marktschreierischen Schlagzeilen-Repertoire von Boulevard-Medien, sondern ist auch in der BWL ein Begriff. Ein Preiskrieg bezeichnet dort eine Situation, in der Unternehmen im Wettbewerb ihre Preise aggressiv senken, um Marktanteile zu gewinnen oder zu halten. Das kann sich negativ auf die Profitabilität aller Marktteilnehmer auswirken - wie bei einem echten Krieg gibt es am Ende dann vor allem Verlierer. Außer es gelingt einem Spieler, die Konkurrenz durch die Preisdrückerei so stark zu schwächen, dass ihm eine marktbeherrschende Stellung winkt. Das ist vor allem in Branchen mit Oligopolen eine reelle Chance - in der global gesehen vergleichsweise diversen Autoindustrie aber wohl nicht. Vertreter der Autobranche ,,warnen" daher eher vor einem Preiskrieg statt ihn ,,auszurufen" oder aktiv zu befeuern. Vielleicht mit Ausnahme von Tesla.

Befindet sich der Markt bereits im Preiskrieg?
Der Markt für Elektroautos schlage seit der Streichung der staatlichen Umweltprämie regelrechte ,,Purzelbäume", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Die größten Preis-Zugeständnisse macht seiner aktuellen Rabatt-Analyse zufolge Dacia mit 44 Prozent Nachlass auf den Spring, der allerdings auch ein Auslaufmodell ist und kurz vor einem umfassenden Lifting steht. Knapp dahinter liegen die Chinesen mit bis zu 31 Prozent. Auf den VW ID.3 gibt es aktuell rund 19 Prozent Nachlass, beim E-Bestseller Tesla Model Y sind es 9 Prozent. Die Kalifornier gelten trotzdem als einer der Auslöser der aktuellen Rabattschlacht, nachdem sie in diversen Märkten die Preise teils massiv gesenkt hatten. Im vergangenen Jahr sanken die Durchschnittspreise für ein Auto der Marke von 52.000 auf 45.200 Dollar. Dudenhöffer sieht sogar noch weiteres Potenzial für Senkungen.

Wer profitiert von einem Preiskrieg?
Zunächst einmal der Neuwagenkäufer, der sich nach einer Phase extrem hoher Preise über etwas Entlastung freuen kann. Zudem könnten Fahrzeuge für Gruppen attraktiv werden, die sie sich bisher nicht leisten konnten oder wollten - im Falle der E-Mobilität würde das die Marktdurchdringung beschleunigen. Wenn der Unterbietungswettkampf jedoch dazu führt, dass die Autohersteller die Qualität senken oder weniger in Zukunftstechnologien investieren, könnte dies die Verbraucher langfristig negativ beeinflussen. Zudem könnten die Preise langfristig wieder steigen. Vor allem, wenn der starke Wettbewerb zu einer Reduzierung der Marktteilnehmer führt.

Könnte der Preiskrieg der E-Mobilität auch schaden?
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer zumindest sieht eine konkrete Gefahr: ,,Eine verkehrte Welt tut sich auf. Mit steigenden Rabatten, sprich fallenden Preisen, nimmt das Interesse der Käufer ab. Es hat sich eine Welle breitgemacht, geschürt von der Befürchtung, mit dem Elektroauto ein Wertverlust-Risiko einzukaufen." Bei einem Vergleich von aktuellen Leasingangeboten bei E-Autos und Verbrennern zeige sich, dass die Leasinggeber hohe Wertverluste bereits einberechneten. Als einen Auslöser des Problems sieht er die Politik und die überraschende Streichung der E-Auto-Prämie.

Wer leidet sonst noch unter einem Preiskrieg?
Unternehmen sehen durch einen Preiskrieg oft ihre Gewinne schrumpfen, manchmal erleiden sie sogar Verluste. Langfristig können sie gezwungen sein, Einsparungen vorzunehmen, beispielsweise bei der Qualität ihrer Produkte oder bei Investitionen in Forschung und Entwicklung. Das gilt vor allem für die Hersteller. Händler, Vermieter und Autobanken hingegen leiden potenziell unter der unsicheren Restwertentwicklung. Sinken die Preise für ein Modell beispielsweise nach dem Abschluss eines Leasingvertrags stark, sinkt auch der spätere Wiederverkaufswert des Leasing-Rückläufers. Es drohen Verluste. Große Autovermieter wie Sixt oder Hertz haben daher zuletzt vor allem ihre Tesla-Bestände reduziert. Die erratische Preispolitik der Kalifornier führte aus ihrer Sicht zu schwer kalkulierbaren Risiken.

Aus welcher Situation heraus geht die Industrie in den Preiskrieg?
Die Autoindustrie kommt aus einer Phase hoher Gewinne. Gerade im Zuge der Lieferkettenprobleme und der damit einhergehenden Neuwagen-Knappheit konnte sie bei stabiler Nachfrage die Preise der verkauften Fahrzeuge hochtreiben. Bei den relativ wenigen Autos, die sie bauten, handelte es sich oft um besonders hochpreisige und hochwertig ausgestattete Modelle. Günstige Einstiegsautos flogen zwischenzeitlich oft aus dem Programm. Trotz geringerem Absatz stiegen so Umsatz und Gewinn.

Wer würden einen Preiskrieg gewinnen?
,,Derjenige mit der höchsten Marge überlebt, der mit der niedrigsten Rendite ist das erste Opfer", fasste es Stellantis-Chef Carlos Tavares bereits im Frühjahr 2023 zusammen. Wer pro Auto viel Geld verdient, kann es sich am ehesten leisten, den Preis zu senken. So gesehen haben Tesla und wohl auch die chinesischen Hersteller mit ihren niedrigen Produktionskosten gute Chancen, in einer Rabattschlacht zu bestehen. Und auch Stellantis hat in der Vergangenheit kräftig verdient und in den vergangenen Jahren zweistellige Margen eingefahren wie man sie sonst eher von deutschen Premiumherstellern wie Mercedes und BMW kennt. Eher Probleme mit der Marge haben hingegen Volumenhersteller wie etwa VW, wo man sich zuletzt mit niedrigen einstelligen Werten begnügen musste und für die nähere Zukunft eigentlich eine deutliche Erhöhung angestrebt hatte.

Welche Strategien können in einem Preiskrieg sinnvoll sein?
Die BWL- und VWL-Lehrbücher führen meist drei Strategien auf. Beim Ansatz ,,Preisführerschaft" versucht ein Unternehmen, die Preiskontrolle zu übernehmen, indem es seine Preise senkt und auf das Nachziehen der Konkurrenz hofft. Dabei geht es das Risiko ein, Verluste einzufahren ohne Marktanteile zu gewinnen. Das könnte etwa passieren, wenn die Konkurrenz auf die ,,Differenzierungsstrategie" setzt und statt in einen Preiskrieg einzutreten, seine Fahrzeuge so zu gestalten, da sie einzigartig und schwer zu kopieren sind. So kann es sich von der Konkurrenz abheben und einen höheren Preis verlangen. Premiumhersteller tun das schon lange. Ähnlich funktioniert die ,,Nischenstrategie", bei der ein Unternehmen versucht, eine spezialisierte Zielgruppe zu bedienen und sich so von der breiten Masse abzuheben. Sportwagenbauer oder Hersteller knallharter Geländewagen könnten ein Beispiel sein.

Gab es schon früher ,,Preiskriege"?
Die Neuwagenpreise geraten immer mal wieder unter Druck, ausgelöst durch Wettbewerbsdruck, Überkapazitäten in der Produktion oder anderen Marktbedingungen. Bekanntestes Beispiel aus der jüngeren Zeit dürfte die Zeit während und nach der deutschen Abwrackprämie im Jahr 2009 gewesen sein, bei der viele Hersteller und Händler Kunden mit zusätzlichen Prämien gelockt haben. Nach dem Wegfall der Prämie Ende 2009 sackte die Nachfrage weg und die Rabattschlacht zog erst recht an. In der Regel liefen die Preissenkungen über Rabattaktionen oder die Inzahlungnahme des Altautos zu Höchstpreisen. Der Listenpreis wurde dabei meist nicht angetastet - anders als es heute Tesla macht.

Dieser Artikel aus der Kategorie NEWS wurde von Holger Holzer/SP-X am 21.02.2024, 16:45 Uhr veröffentlicht.