MOTOR-EXCLUSIVE

Dieter Schwab - 5. November 2018, 09:37 Uhr AUTOMOBIL

Jaguar F-Type P300: Weniger kann mehr sein

Jetzt geht es in die andere Richtung: vier Zylinder und 300 PS für die neue Basisversion des Jaguar F-Type. Gerade hatte er mit 575 PS als SVR seinen vorläufigen Leistungszenit erreicht.


Jetzt geht es in die andere Richtung: vier Zylinder und 300 PS für die neue Basisversion des Jaguar F-Type. Gerade hatte er mit 575 PS als SVR seinen vorläufigen Leistungszenit erreicht.

Leistung ist nicht alles, aber ohne Leistung ist für einen Sportwagen wie den Jaguar F-Type alles nichts. Ein durchaus überzeugendes Argument, das im Fall des britischen Edel-Roadsters seit seinem Debüt im Jahr 2013 sogar an Gewicht gewonnen hatte. Bis hin zum 575 PS starken E-Type SVR, der 2016 auf den Markt kam.

Statt die PS-Schraube weiter in diese Richtung zu drehen, schicken die Engländer eine erheblich mildere Variante auf die Straße. Ob deren Leistung von 300 PS ausreichend ist, ist eine Frage, die sich dem "Ottomotor-Normalverbraucher" nicht stellt. Wohl aber der betuchten Jaguar-Kundschaft mit Hang zur betont schnellen Fortbewegung.

Nur an Zahlen gemessen, kann der Neue dem SVR nicht das Wasser reichen. Objektiv betrachtet schmälern die Werte bei Beschleunigung (5,7 statt 3,7 Sekunden bis Tempo 100) oder Höchstgeschwindigkeit (250 statt 322 km/h) zwar die Lufthoheit über den Auto-Stammtischen, aber nicht zwingend das sportliche Fahrerlebnis. Denn alles, was der schwächste F-Type zu bieten hat, ist in Wirklichkeit echt stark.

Aus nur zwei Litern Hubraum zaubern die Motorentwickler dank Turbo ein stattliches Potenzial von 300 Pferdestärken. Die stehen erst ab 5.500 Umdrehungen zur Verfügung, was in erster Linie dem Vierzylinder-Konzept geschuldet ist. Wer fürchtet, man müsse den Motor deshalb ständig bei Laune halten, früh schalten und die Gänge lange halten, hat die Rechnung ohne das Drehmoment gemacht.

Die respektablen 400 Nm werden schon ab 1.500 U/min auf die Kurbelwelle gewuchtet. Diese Kraft ist so überzeugend, dass man sie gut dosieren muss. Wer in der Kurve zu früh und übermotiviert auf den Stempel tritt spürt sofort, wie das Heck beginnt, kurz ein Eigenleben zu entwickeln, ehe es die elektronische Fahrwerksstabilisierung wirkungsvoll wieder an die Leine legt. So macht Sportwagen fahren Laune: Das Zusammenspiel von Gasfuß und Lenkung nutzen, um das tief und satt auf der Straße kauernde Raubtier agil um die Ecke zu werfen. In dieser Disziplin spielt es kaum eine Rolle, ob nun 300 oder 575 PS den 1,5 Tonnen schweren Zweisitzer aus der Ecke katapultieren.

Rein optisch unterscheiden sich die Modellversionen ohnehin nur in winzigen Details. Zum Glück. Denn an Ian Cullums Meisterstück gibt es nichts zu verschönern: So muss ein Sportwagen aussehen. Markante Front, lange Haube, kurze Überhänge und ein knapp geschnittenes Heck. Dass darunter dann nur noch Platz für Handgepäck bleibt, wird man leicht verschmerzen. Der F-Type wäre zwar auch für lange Reisen prima geeignet, weil sein Fahrwerk selbst auf schlechten Autobahnen einen guten Komfort bietet, aber seine optimale Arbeitsumgebung findet er auf kurvenreichen Strecken.

Gerne im Bummeltempo, wenn den Insassen gerade mal der Sinn nach entspanntem Sightseeing bei offenem Verdeck steht. Um mehr Blick auf das frei zu geben, was es Schönes zu sehen gibt, genügt es, den Schalter auf der Mittelkonsole zu nutzen. In wenigen Sekunden ist das Stoffdach geöffnet und vollautomatisch unter einer Klappe verstaut. 7.000 Euro kostet diese Verwandlung. So hoch ist der Aufpreis, der aus dem Coupé ein Cabrio macht. Nennenswerte Komforteinbußen muss man übrigens nicht fürchten. Die Stoffmütze ist so gut isoliert, dass sie weder beim Lärm, noch bei den Temperaturen gegenüber dem Blechdach im Nachteil ist.

Wenn einem der Wind um die Nase weht, drosselt man gerne das Tempo. Statt vehementer Beschleunigung schenkt der Vierzylinder bereits knapp über der Leerlaufdrehzahl genügend Vortrieb. Das nutzt das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, um früh - vor allem aber viel sanfter als beim Beschleunigen - in die höchste Fahrstufe zu wechseln.
Im Bummeltempo bietet sich Gelegenheit, nicht nur draußen, sondern auch drinnen die Umgebung zu genießen. Edles Material, stilistisch gelungen arrangiert, sorgt für ein gutes Gefühl. Um dies auch bei der Bedienung der einzelnen Komponenten zu erreichen, bedarf es allerdings einer gewissen Gewöhnungszeit. Die Engländer setzen fast ausschließlich auf die Menüs des Touchscreen-Monitors. Leider findet man sich nicht auf Anhieb zurecht und selbst wenn man gelernt hat, wie das System aufgebaut ist, wird man sich nicht 100-prozentig mit seiner Logik anfreunden können.

Mit dem Preis hingegen schon - zumindest am Spitzenmodell SVR gemessen. Für Achtzylinder und 575 PS ruft Jaguar eine Summe von 142.400 Euro (Cabrio: 149.400 Euro) auf. Da kommt einem das getestete Basismodell mit seinen 60.400 Euro (als Cabrio 67.400 Euro) fast schon wie ein Schnäppchen vor. Schon zum günstigsten Sechszylinder, dem P340, bleibt ein Respektabstand von 9.000 Euro. Neben dem Preisvorteil bei der Anschaffung gibt es noch einen beim Verbrauch. Beim Normwert sind es 2,4 Liter Unterschied zwischen Vier- und Sechszylinder. Im Test genehmigte sich der P300 selten unter neun, häufig bei flotter Fahrweise über zehn Liter.

Dieter Schwab / mid

Technische Daten Jaguar F-Type P300 Cabriolet
Zweitüriger und zweisitziger Roadster mit Stoffverdeck, Länge/Breite/Höhe/Radstand in Millimeter: 4.475/1.923/1.311/2.622, Leergewicht: 1.545 kg, Kofferraumvolumen: 207 l, Zuladung: 380 kg, Tankinhalt: 63 l.

Benziner: Reihenvierzylinder-Benziner, Hubraum: 1.997 ccm, Leistung: 221 kW/300 PS bei 5.500 U/min, max. Drehmoment: 400 Nm bei 1.500 U/min, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, 0 - 100 km/h: 5,7 s, Normverbrauch: 7,9 l/100 km, CO2-Ausstoß: 179 g/km, Testverbrauch: 9,4 l/100 km, Achtgang-Automatik, Heckantrieb, Preis: ab 67.400 Euro.

Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Dieter Schwab am 05.11.2018, 09:37 Uhr veröffentlicht.