MOTOR-EXCLUSIVE

Dieter Schwab - 8. April 2019, 16:29 Uhr AUTOMOBIL

Mittelklasse-GT macht mächtig Dampf

Eine sportlich-elegante Fastback-Limousine, kombiniert mit einem 366-PS-Motor, sind eine bei Kia ungewöhnliche Kombination namens Stinger.


Eine sportlich-elegante Fastback-Limousine, kombiniert mit einem 366-PS-Motor, sind eine bei Kia ungewöhnliche Kombination namens Stinger.

Ob "Grand Touring" (englisch), "Grand Turismo" (italienisch) oder "Grand Tourisme" (französisch) - die Abkürzung "GT" verbindet man unwillkürlich mit Sportwagen. Dabei waren GT-Fahrzeuge ursprünglich komfortable Limousinen oder Coupés, die ein gutes Platzangebot mit einem kräftigen Motor verbunden haben, um für die große Reise (französisch: Grand Tour) gerüstet zu sein. Eine Beschreibung, die auf den Kia Stinger GT passt wie die Faust aufs Auge.

Denn der fünftürige Mittelklasse-Fastback hat mächtig Dampf unter der langgezogenen Motorhaube. Und zu den sportlichen Qualitäten gesellen sich das Platzangebot und der Komfort, den man von einem Auto dieser Größe erwartet.

Väter mit Benzin im Blut haben bei den nüchternen Fakten leichtes Spiel, die Familie für den Stinger zu erwärmen. Obwohl er eine zur Leistung passende, eher sportliche Grundabstimmung mitbringt, weiß er durchaus mit Bequemlichkeit zu überzeugen. Die Federung lässt es nie zu, dass schlechte Straßen das angenehme Fahrgefühl trüben. Und an Platz mangelt es nun wirklich nicht. Vorne sitzt man eingebettet in körpernah geschnittenen und guten Seitenhalt bietenden Sitzen. Auf der Rückbank nimmt man am besten zu zweit Platz, obwohl man auch bei drei Erwachsenen keine wesentlichen Einschränkungen in Kauf nehmen muss; außer der, dass es in der Mitte keine ausgeformte Sitzschale gibt. Dafür hat man gute Ausbreitungsmöglichkeiten nach vorne und zur Seite. Denn rund 1,90 Meter Breite und der Radstand von fast drei Metern wurden in ein gutes Innenraumkonzept umgesetzt. Leider nicht in einen dazu passenden Kofferraum. Der ist sehr flach ausgefallen und bietet nur 406 Liter.

Die Gestaltung komplettiert den guten Gesamteindruck. Nappa-Leder für fast alle Flächen sowie hochwertiger Kunststoff, wo es nicht nur um Optik, sondern auch um Stabilität geht, wurden zu einem durch Sachlichkeit und Funktionalität geprägten Enterieur kombiniert. Keine Frage, dass bei einem Wagen, der in Vollausstattung fast 59.000 Euro kostet, die neuesten Sicherheits- und Assistenzsysteme mit an Bord sind. Ergänzt durch Harmann-Kardon-Sound aus 15 Lautsprechern.

Viel lieber lauscht man jedoch dem feinen Triebwerk, das Kia dem Stinger gegönnt hat. 366 PS mobilisiert der V6-Zylinder. Damit beschleunigt er das immerhin fast zwei Tonnen schwere Fahrzeug in schwindelerregenden 5,5 Sekunden auf Tempo 100 - und das Image der koreanischen Marke in eine Region, die bisher garantiert kein Stammplatz für Autos des Kia-Konzerns war. Dass es in die andere Richtung, also beim Bremsen, mindestens so vehement geht, dafür sorgt eine Brembo-Bremsanlage.

Man muss sich heutzutage schon fast für solche Gedanken entschuldigen: Es macht Spaß, den Stinger zu bewegen. Wie er beschleunigt, sich vor der Kurve scharf abbremsen lässt und dann spurtreu und gut haftend um die Ecke geht. Da gibt es kaum Wanken und wenig Schieben. Bis in den Grenzbereich kann man auf ein neutrales Fahrverhalten vertrauen. Die variable Lenkübersetzung unterstützt den Fahrer durch ihre gute Rückmeldung. Im Charakter ist sie direkt, aber nicht hektisch. So lässt sich eine saubere Linie ziehen.

Weniger harmonisch ist der wieselflinke Koreaner bei der Kraftentwicklung. Die Wahl der richtigen von acht Übersetzungsstufen trifft die Wandlerautomatik gedankenschnell und präzise. Allerdings muss man sensibel im Gasfuß sein, denn selbst in der Eco-Einstellung schaltet das Getriebe bereits zurück, wenn man das Pedal nicht nur streichelt, sondern ein wenig drückt. Sofort ist man im Beschleunigungsmodus, obwohl man das Tempo nur ein wenig anziehen wollte. Bei der Traktion hingegen gibt es nichts zu meckern, weil die üppigen 510 Nm Drehmoment nicht der Vorderachse alleine zugemutet, sondern an alle vier Räder verteilt werden.

Der Kia Stinger ärgert Ford in Amerika. In Europa ärgern sich eher die Umweltschützer über ihn. Jenseits des Großen Teichs macht die GT-Limousine mit ihrem Verkaufserfolg der Allzeit-Ikone Ford Mustang das Leben schwer. Bei uns fällt er mit seinem unzeitgemäß hohen Verbrauch aus dem Rahmen.

Der Normwert von 10,5 Litern lässt bereits nichts Gutes für die Praxis ahnen. Am Ende landeten wir im Test bei 12,7 Litern. Das ist selbst unter Berücksichtigung von Gewicht, Leistung und Allradtechnik ein Wert, der wie aus einer anderen Zeit kommend wirkt.

Immerhin bietet Kia Alternativen. Die Vierzylinder Varianten haben 200 PS ( Diesel) oder 245 PS (Benziner). Sie bieten vielleicht nicht den gleichen Kick wie der GT, aber dafür fast alle anderen Vorzüge, für die es sich lohnt, den sportlich-eleganten Stinger in Erwägung zu ziehen.

Die Preise beginnen bei 44.490 Euro. Das ist fast schon der Endpreis für den kleinen Benziner, weil die Basis-Ausstattung kaum Wünsche offenlässt. Falls doch, schließt die der GT. Das Einzige, was dem 55.900 Euro teuren Spitzenmodell noch zusätzlich spendiert werden kann, sind Metallic-Lackierung, ein Glasdach oder ein Sportauspuff mit Klappensteuerung (2.599 Euro).

Daten Kia Stinger GT 3.3 T-GDI AWD
Fünftüriger, fünfsitziger Fastback-GT, Länge/Breite/Höhe/Radstand: 4830/1870/1400/2905 mm, Leergewicht: 1980 kg, Zuladung: 392 kg, Kofferraum: 405 Liter, Tankinhalt: 60 Liter

Antrieb: V6-Zylinder, Hubraum: 3342 ccm, Leistung: 269 kW (366 PS) bei U/min: 6000
max. Drehmoment: 510 Nm bei U/min: 1300, Achtgang-Wandlerautomatik, Allradantrieb, 0-100 km/h: 5,5 sec. ,Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h, Normverbrauch: 10,5 Liter Super, CO2-Emission: 240 g/km, Testverbrauch: 12,7 Liter, Schadstoffklasse: Euro 6d Temp, Grundpreis: 55.900 Euro

Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Dieter Schwab am 08.04.2019, 16:29 Uhr veröffentlicht.