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9Touareg eHybrid: Schwergewicht auf Samtpfoten
mid Groß-Gerau - Mit dem Touareg eHybrid liefert Volkswagen seit Oktober 2020 einen eindrucksvollen Beweis für die Sinnhaftigkeit von SUV mit Doppel-Antrieb. VW
AUTOMOBIL
Christoph Reifenrath - 12. Mai 2021, 14:02 Uhr AUTOMOBIL

Touareg eHybrid: Schwergewicht auf Samtpfoten

Mit dem Touareg eHybrid liefert Volkswagen seit Oktober 2020 einen eindrucksvollen Beweis für die Sinnhaftigkeit von SUV mit Doppel-Antrieb. Der Neue ist groß, kraftvoll und zugstark wie ein Elefant, aber fast so leise, geschmeidig, schnell und leichtfüßig wie eine Katze. Der Motor-Informations-Dienst (mid) ist ihn gefahren.


Mit dem Touareg eHybrid liefert Volkswagen seit Oktober 2020 einen eindrucksvollen Beweis für die Sinnhaftigkeit von SUV mit Doppel-Antrieb. Der Neue ist groß, kraftvoll und zugstark wie ein Elefant, aber fast so leise, geschmeidig, schnell und leichtfüßig wie eine Katze. Der Motor-Informations-Dienst (mid) ist ihn gefahren.

Beileibe nicht jeder braucht einen großen SUV. Es gibt jedoch Menschen, die haben eigentlich gar keine andere Wahl. Ein Bekannter verkauft Boote, er ist nicht selten mit bis zu 3,5 Tonnen schweren Anhängern unterwegs. Bislang fährt er Diesel-Pickup - kräftig und auch auf langen Touren ausdauernd. Ohne Last am Haken aber ziemlich ruppig und bei Nässe oft nur mühsam zu bändigen. Nun denkt er über Alternativen zum Solo-Verbrenner nach. Für ihn wäre der Touareg eHybrid derzeit eine Ideallösung.

Die Fahrt in die Firma und zurück - rund 30 Kilometer - könnte er künftig elektrisch zurücklegen, wir haben im Stadtverkehr sogar bis zu 40 Kilometer ohne Verbrenner geschafft. Das für den sinnvollen PHEV-Einsatz notwendige Laden wäre für meinen Bekannten kein Problem, sowohl zu Hause als in der Werft gäbe es Außenanschlüsse und Grünstrom.

Die Hauptkritik an Plug-in-Hybriden, sie seien meist mit leeren Batterien unterwegs und deshalb in Wirklichkeit gar nicht sparsam, liefe in diesem Fall also ins Leere. Bis zu 20 Fahrten pro Woche würden so künftig in Hamburg lokal völlig abgasfrei, deutlich leiser und dazu auch noch sparsamer als mit dem Diesel absolviert. Bei uns hat der eHybrid im reinen E-Stadt-Betrieb durchschnittlich 35 kWh auf 100 Kilometer aus seiner 14,3 kWh-Antriebsbatterie (netto) gesaugt: Auf den ersten Blick recht viel, aber umgerechnet eben doch nur rund 3,5 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer. Und über 50 Prozent weniger CO2-Emissionen im Alltag wären doch im Vergleich zum Diesel zumindest mal ein sehr guter Anfang.

Warum aber nicht gleich ein reines Elektroauto? Erstens gibt es hierzulande schlicht keines, das die erforderliche Anhängelast von 3,5 Tonnen auch nur annähernd schafft. Der Touareg eHybrid hingegen schleppt sie - beispielsweise beim Slippen - sogar im Elektrobetrieb. Zweitens steigt auch beim Elektroauto der Verbrauch bei Gespannfahrt deutlich. Das Ergebnis wären wohl - selbst bei einer großen Batterie mit sagen wir 100 kWh nutzbarer Kapazität - Realreichweiten von um die 200 Kilometer.

Wie und wo aber sollte - solange es noch keine Lkw-Ladesäulen gibt - ein 16 Meter-Gespann auf der Reise nachladen? E-Pickups aus den USA wie etwa der neue Hummer von GM, der Rivian R1T, der Bollinger B2 oder der Atlis XT sind mittelfristig ebenfalls keine Lösung. Denn wenn sie irgendwann wirklich lieferbar sind, schleppen sie, um auch im harten Arbeitsalltag praxisgerechte Reichweiten zu erzielen, im wahrsten Sinne des Wortes tonnenschwere Batteriepakete mit bis zu 250 kWh Kapazität - ihre Zulassung in Europa wird deshalb nicht selten an der 3,5-Tonnen-Grenze scheitern.

Doch zurück zum Touareg eHybrid mit seinen 381 PS Systemleistung. Mit einem Basispreis von 74.250 Euro in der Atmosphere-Ausstattung ist er auf dem Papier (abgesehen vom noch stärkeren R-PHEV) zwar der teuerste Vertreter seiner Gattung, doch unterm Strich kommt er günstiger als der Benziner mit 340 beziehungsweise der Diesel mit 286 PS. Denn Käufer des VW-Topmodells können ja aktuell noch die Umweltprämie in Höhe von 5.625 Euro abziehen. Außerdem ist der Touareg eHybrid auch bei der Serienausstattung reicher bestückt als die reinen Verbrenner-Varianten. Dazu kommen für Unternehmer wie den Bekannten noch deutliche Steuervorteile.

Uns hat aber etwas ganz anderes beeindruckt. Es ist die Art wie dieses leer 2.427 Kilogramm-Schwergewicht fährt, federt und seine Passagiere fast vollständig von der Außenwelt entkoppelt. Bei Reisetempo 130 bis 140 im Hybridmischbetrieb auf der Autobahn ist bei unter 2.000 Touren vom V6-Triebwerk fast nichts zu hören, selbst Wind- und Abrollgeräusche sind kaum vernehmbar. Dank - optionaler - Luftfederung schwebt der eHybrid förmlich über den Fahrbahnbelag. Es fällt nicht leicht, noch ein Gefühl für die gefahrene Geschwindigkeit zu entwickeln. Wir waren deshalb froh über den Abstandsregel-Tempomaten, der auf Wunsch automatisch die jeweiligen Geschwindigkeitslimits einstellt.

Das Platzangebot vorn ist, wie das in der zweiten Reihe, üppig. Wir haben - derart luxuriös unterwegs - Verbrauchswerte um die acht Liter realisieren können. Nicht sensationell wenig, aber eben auch kein Grund, einen PHEV dieser Größe und bei Bedarf derart souveräner Performance grundsätzlich als Umweltsünder abzustempeln.

Kritik? Die Ambientebeleuchtung (Aufpreis 395 Euro) spiegelt nachts selbst bei niedrigster Intensität störend in den Seitenscheiben. Das optisch beeindruckende Infotainmentsystem bietet zahlreiche sehr nützliche und clevere Funktionen. Es erlaubt jedoch während der Fahrt zu viele nicht essenzielle Einstellungen. Und, Stichwort "Schwergewicht", hier allerdings ganz ohne die in der Überschrift attestierte Leichtfüßigkeit, die Betriebsanleitung des Touareg wiegt stattliche 577 Gramm und umfasst 414 eng bedruckte Seiten.

Christoph Reifenrath / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Christoph Reifenrath am 12.05.2021, 14:02 Uhr veröffentlicht.