MOTOR-EXCLUSIVE

Klaus Brieter - 26. November 2019, 12:09 Uhr AUTOMOBIL

BMW X6 und 8er Grand Coupé: Alpenglühen auf hohem Niveau

Besser konnte es nicht laufen: BMW wollte erlebbar machen, wie die neuen 'High-Performance'-Modelle X6 und 8er Grand Coupé mit Allradantrieb auf kritischem Untergrund fertig werden. Dazu braucht es reichlich Schnee. Die Wahl fiel auf die in Europa am höchsten gelegene Testfläche (2.830 Meter) am Gletscher bei Sölden.


Besser konnte es nicht laufen: BMW wollte erlebbar machen, wie die neuen "High-Performance"-Modelle X6 und 8er Grand Coupé mit Allradantrieb auf kritischem Untergrund fertig werden. Dazu braucht es reichlich Schnee. Die Wahl fiel auf Europa höchstgelegene Testfläche (2.830 Meter) am Gletscher bei Sölden, wo zum Glück kurz zuvor etliche Tonnen der weißen Pracht vom Himmel gefallen waren. Also die besten Bedingungen, um die Grenzen der beiden gegensätzlichen Modelle auszuloten.

Wir starten im BMW X6 M50i, der im aktuellen Design nicht so wuchtig wirkt wie seine Vorgänger. Mit seinen 2,3 Tonnen Leergewicht vermittelt er allerdings nicht unbedingt die Botschaft, ein behänder Sportler zu sein. Ein Blick in die Leistungsdaten verrät jedoch, dass er mit seinen 530 PS keinesfalls bei den lahmen Enten angesiedelt ist. Aber die Leistung ist es nicht allein. Die Entwickler wollten nämlich mehr: Sie hatten sich das Ziel gesteckt, bei der Fahrdynamik nicht nur Kopie des betulicher auftretenden Schwestermodells X5 auf die Räder zu stellen - sozusagen nur einen X5 mit abgesägtem Heck.

Um zu verdeutlichen, dass dieses Entwicklungsziel nicht verfehlt wurde, musste "die Kuh aufs Eis", beziehungsweise der X6 auf den Schnee. Schon beim Anfahren mit dem bulligen 4,4-l-V8-Motor zeigt sich, dass der permanente Allradantrieb dringend vonnöten ist. Denn was nützt die schiere Leistung, wenn nur eine Antriebsachse auf dem glatten Untergrund hilflos um Traktion bettelt? Schließlich muss in dieser Kombination noch ein maximales Drehmoment von 750 Nm verdaut werden, das ab 1.400 U/min vom Motor an die Räder durchgereicht wird.

Allerdings reduziert sich der Begriff Fahrdynamik nicht auf den brutalen Abzug beim Losfahren. Um das breite Spektrum des sportlichen Könnens zu demonstrieren, hatten sich die Instruktoren des BMW-Fahrertrainings ein nettes Fahrprogramm einfallen lassen. Zunächst gilt es, eine Bergauf-Passage mit wechselnden Spurgassen zu meistern. Im ersten Durchgang bleiben alle Fahrer-Assistenzsysteme eingeschaltet: Eine schöne Demonstration, wie sich der X6 bemüht, den Fahrer auf der ganz sicheren Seite an der Hand zu nehmen und ihn trotz der Glätte auf dem vorgewählten Kurs leicht untersteuernd durch die Hütchen zu begleiten. Dabei geht es durchaus zügig zur Sache, allerdings steht nicht das Tempo im Fokus. Die Bremsen greifen einfach an jedem einzelnen Rad gezielt ein, wenn der Wagen auszubrechen droht.

Im zweiten Durchgang wird das System von der Traktionskontrolle befreit. Schon legt der X6 beim Antritt hurtiger los. Dadurch, dass die Antriebsräder ungebremst im Schnee wühlen dürfen, wenn der Fahrer am Gas bleibt, erhöht sich der Schwung im Parcours. Die gewollte Unruhe an der Hinterachse zwingt den Piloten jedoch, das leicht schwänzelnde Heck mit gezielten Korrekturen auf Kurs zu halten. Der Spaßfaktor legt eindeutig zu.

Aber erst die dritte Runde macht das Fenster nach oben vollends auf: Mit abgeschalteter Stabilitätskontrolle (DSC) und mehr Dampf an der Hinterachse sind nun Driftwinkel möglich, die dem Wedeln beim Skifahren gleichen. Oder näher am Auto orientiert: Sie erinnern an die Zeit, als flott bewegte Hecktriebler ohne ESP auf glatter Fahrbahn mit abenteuerlich ausgestelltem Heck durch die Kurven drifteten. In diesem Fahrzustand gilt es auch im X6, beherzt aber doch spielerisch gegenzulenken, um die rot-weißen Hütchen des Kurses nicht umzufahren. Erstaunlich, wie das schwere Exemplar aus dem gehobenen SUV-Segment auf Schenkeldruck reagiert.

Dem BMW 8er Grand Coupé traut man diese Eigenschaft schon wegen seiner geduckten Erscheinung auf Anhieb eher zu. Denn ein Coupé ist in der Regel das Synonym für Sportlichkeit. Kann es aber mit einem Dieselmotor genauso viel Freude beim "Alpenglühen" machen wie ein hochdrehender Benziner? Aber ja: Den Wechsel zum 840d xDrive Gran Coupé mit dem 3-Liter-Sechszylinder bereut der mid-Autor nicht: 320 PS und 680 Nm ab 1.850 U/min sind ebenfalls nicht zu verachten. Das zeigt sich schon bei der Sonder-Einlage "Achterfahren mit dem Achter".

Und die sieht so aus: Zwei im Schnee aufgestellte Markierungshütchen müssen so umrundet werden, dass die Fahrspur des 8er zu einer exakten 8 wird. Mit Einlenken und vehementem Gasstoß wird das Heck bei ausgeschalteten elektronischen Assistenten zum Ausbrechen gebracht. Und schon pflügt der 8er inmitten einer Schneefontäne um die Markierungspunkte. Dank der tieferen Sitzposition ist der Fahrer mehr "geerdet" als im X6. Und weg ist das X6-Gefühl, als wolle man von der oberen Etage aus mit einem Reihenhaus den besten Driftwinkel ausloten.

Insofern erweist sich das "Driving Experience", zu dem BMW einlud, als geschickter Schachzug, um die zwei Neulinge im Modellprogramm dynamisch zu präsentieren. Das gefahrlose Ausloten der Grenzen vermittelt eindrucksvoller was die beiden Modelle können, als das sachliche Aufzählen technischer Daten. Freilich: Die geweckten Begehrlichkeiten müssen erst die Hürde einer soliden Preisgestaltung überwinden, bevor sie erfüllt werden. Beim X6 startet der Geld-Zähler bei 75.000 Euro (xDrive 30d), beim 8er Gran Coupé bei 91.500 Euro. Die Top-Versionen mit dem Beinamen Competition pfeffern mit 144.200 (X6) oder 165.000 Euro (8er) ins Bankkonto. So hat das hohe Niveau beim Söldener Alpenglühen nicht nur den Bezug zur geografischen Höhe.

Klaus Brieter / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Klaus Brieter am 26.11.2019, 12:09 Uhr veröffentlicht.