MOTOR-EXCLUSIVE

Andreas Reiners - 16. April 2020, 11:48 Uhr MOTORSPORT

Sim-Racing: Die "Ersatzdroge" der Motorsport-Stars

In der Corona-Krise findet der Motorsport vor allem in der digitalen Welt statt. Die Stars der Branche geben virtuell Gas. Der Motor-Informations-Dienst (mid) geht dem Phänomen auf den Grund.


In der Corona-Krise findet der Motorsport vor allem in der digitalen Welt statt. Die Stars der Branche geben virtuell Gas. Der Motor-Informations-Dienst (mid) geht dem Phänomen auf den Grund.

Als bei Lando Norris das Programm abstürzte, rief er kurzerhand Max Verstappen an. Die beiden Formel-1-Stars scherzten am Handy ein wenig herum, Verstappen gab dem Briten vor seinem Einsatz noch einen Tipp mit auf den Weg: "Ich würde in der ersten Kurve das halbe Feld abräumen und dann entgegen der Fahrtrichtung fahren."

Kurz vor dem Start natürlich völlig unbrauchbar, angesichts der Tatsache, dass es sich um ein virtuelles Formel-1-Rennen handelte, aber durchaus witzig. Und alles live vor rund 100.000 Fans, die bei Norris auf der Streaming-Plattform "Twitch" eingeschaltet hatten.

Eine Szene, die zeigt: Die Motorsport-Stars haben in Zeiten der Corona-Krise ohne echten Rennsport die virtuelle Welt für sich entdeckt. Sim-Racing ist die Ersatzdroge, mit der sich viele von ihnen ablenken und parallel die Realität recht gut abbilden können, indem sie sich einen Simulator ins Wohnzimmer stellen, der zwischen 3.000 und 15.000 Euro kosten kann. Gut investiertes Geld, denn sie können so jederzeit Gas geben.

Doch nicht nur das. "Die virtuellen Rennen helfen mir dabei, vor allem mental im Rennmodus zu bleiben, denn auch wenn es sich im Simulator nicht genauso anfühlt wie in der Realität, sind meine Instinkte doch die gleichen wie auf der echten Rennstrecke. Die kann ich somit weiter schärfen", sagt DTM-Pilot Philipp Eng: "Für mich ist Sim-Racing nicht nur Spaß, sondern es bringt mir als professionellem Rennfahrer auch einen echten Mehrwert."

So sieht es auch Verstappen. "Es hält mich auf Trab", sagt er und erklärt: "Was kann man momentan auch sonst machen? Man muss drinnen bleiben. Und es macht Spaß. Ich mag Sim-Racing sowieso. Im Winter habe ich eine Menge gemacht und versucht, meine Fähigkeiten zu verbessern. Deshalb liebe ich es."

Die Auswahl an virtuellen Serien ist groß: Ob der eingangs erwähnte von der Formel 1 organisierte Formel-1-GP, die #NotTheGP-Serie von Veloce oder die Reihe des E-Sport-Teams Redline - langweilig wird es nicht. In der Serie "Real Racers Never Quit" treffen sich Stars aus allen Motorsport-Klassen dreimal in der Woche, um einen Meister zu küren. Der erste Champion in der Corona-Krise: Verstappen.

Funfact: Der Niederländer ist begeisterter Sim-Racer, meidet eingangs erwähnte Formel-1-Serie aber vehement, weil das offizielle Formel-1-Spiel, das dort zum Einsatz kommt, mehr Arcade denn echte Simulation ist.

Trotzdem können professionelle Rennfahrer noch nicht ganz mit den besten Sim-Racern der Welt mithalten. Engs Erklärung: "Das liegt hauptsächlich an der unglaublichen Menge an Zeit, die diese Jungs über Jahre hinweg im Simulator verbracht haben."

Dass ein Top-Sim-Racer automatisch auch ein guter Rennfahrer sein kann, glaubt Eng nicht unbedingt. "Die Besten haben bestimmt das nötige technische Verständnis und das fahrerische Potenzial, aber ich denke, in einem echten Rennfahrzeug müssen sie erst einmal damit umgehen lernen, dass ihnen hier etwas passieren kann, wenn sie einen Fehler machen." Das merke er auch bei sich selbst: "Ich riskiere im Simulator immer mehr als in einem echten Rennfahrzeug."

Im Gegensatz zu Fahrten im echten Rennfahrzeug bietet ein Simulator die Gelegenheit, ohne Risiko, in kontrollierter Atmosphäre und ohne allzu hohe Kosten viel Testarbeit zu absolvieren und Erfahrungen zu sammeln. "Der Simulator, den ich zu Hause habe, ist für das, was man als Normalbürger kaufen kann, schon sehr gut. Aber er ist meilenweit von dem entfernt, was der BMW-Motorsport-Simulator kann", erklärt Eng. Dadurch, dass sich dieser Simulator auf einer flexiblen Plattform bewege, bekomme man als Fahrer jeden Randstein und jede Bodenwelle genauso mit wie in der Realität. Es gebe also vom reinen Fahrverhalten her kaum einen Unterschied zur Wirklichkeit.

Andreas Reiners / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie MOTORSPORT wurde von Andreas Reiners am 16.04.2020, 11:48 Uhr veröffentlicht.