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Die mid-Zeitreise: Elektroauto der Zukunft
mid Groß-Gerau - Erste Fahreindrücke mit einem mit Hochleistungsbatterien ausgestatteten Renault Twingo bei einer gemeinsamen Vorstellung des französischen Autoherstellers und des Batterielieferanten AEG-Anglo Batteries 1997. Archiv Motor-Informations-Dienst (mid)
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Jutta Bernhard - 1. Juli 2022, 14:50 Uhr OLDTIMER

Die mid-Zeitreise: Elektroauto der Zukunft

Am 7. Juli 1997 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 42. Jahrgang über das leistungsfähige und erschwingliche Elektroauto der Zukunft.


Am 7. Juli 1997 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 42. Jahrgang über das leistungsfähige und erschwingliche Elektroauto der Zukunft.

Stellen Sie sich vor: Ein vor Ort abgasfrei funktionierendes Elektroauto wird recht kostengünstig in Serie produziert, ist leistungsfähig, scheut vor Überlandfahrten nicht zurück und ist so sparsam, dass es auf 200 Kilometer Fahrstrecke für nur rund sechs DM Energie aus einer Steckdose zieht. Fahrspaß durch viel Drehmoment und zügiges Beschleunigen sowie eine zeitgemäße Sicherheits- und Komfortausstattung wie Klimaanlage im Fahrzeug sind inbegriffen. Kein Wunder, dass die ersten Fahreindrücke mit einem mit Hochleistungsbatterien ausgestatteten Renault Twingo bei einer gemeinsamen Vorstellung des französischen Autoherstellers und des Batterielieferanten AEG-Anglo Batteries in Berlin einige Überraschungen mit sich brachten.

Bereits beim Starten ist das Staunen groß. Die vielen digitalen Anzeigen zur Beobachtung der Energiereserven irritieren anfangs, denn zu Amperestunden und Spannungswerten hat man als normaler Autofahrer keinen Bezug. Und diese Stille nach dem Umdrehen des Zündschlüssels: sollte das Aggregat wirklich schon laufen. Doch, tut es, nur im Leerlauf eben so gut wie unhörbar und auch während der Fahrt kaum vernehmbar. Ein Tritt auf das "Gaspedal" und das Elektroauto reiht sich zügig in den Straßenverkehr ein. Schnelle Spurwechsel schafft er wie ein vergleichbarer Kompaktwagen mit Verbrennungsmotor. Die von Renault und AEG-Anglo Batteries versprochene Leistung von 45 kW/61 PS reicht, um auf der Berliner Stadtautobahn recht flott auf die in der Steuerelektronik einprogrammierte Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h zu beschleunigen. Schalten ist nicht, das Spezialgetriebe kennt nur "Stillstand" und "Vorwärts-" oder "Rückwärtsfahren".

Die Beschränkung auf Tempo 120 haben die Franzosen als Kompromiss zwischen hinreichender Geschwindigkeit und Reichweite ausgewählt. Im Schnitt soll der Twingo so auf rund 200 Kilometer Reichweite mit einer Stromladung kommen. Dabei wandelt ein spezielles Bremssystem beim Verzögern entstehende Energie in frische Nutzenergie um. Eine Anzeige im Cockpit soll rechtzeitig und zuverlässig auf schwindende Energiereserven aufmerksam machen. Eine normale Aufladung der Batterie benötigt in Abhängigkeit von Kapazität und Entladung vier bis acht Stunden. Kosten: Nachtstrom für rund drei DM reicht für 100 Kilometer. Schnellladestationen etwa an Tankstellen sollen den Elektroauto-Fahrern helfen, die in Zeitnot oder auf Überlandfahrten unterwegs sind. Nach einer Stunde sollen wieder über 80 Prozent Leistung an Bord sein.

Immer an Bord sind beim Elektro-Twingo satte 310 Kilogramm Zusatzgewicht durch die "Zebra" (Zero Emission Battery Research Activity) - Akkumulatoren von AEG. Untergebracht sind die auf einem Kochsalz-Nickel-Stoffsystem und einem Keramik-Elektrolyten basierenden Energiespender unter der Rücksitzbank, die durch ihren neuen Unterbau in die Höhe gehen muss und so nur noch für Kinder genügend Kopffreiheit bietet.

Das hohe Leergewicht drückt natürlich die Beschleunigungswerte des Kompaktautos: Doch mit den angegebenen 12 Sekunden von Null auf 80 km/h lässt sich gut leben. Auch in Sachen Betriebs- und Unfallsicherheit soll es nichts zu mäkeln geben. Crashtests mit Tempo 50 sollen die absolut wartungsfreien "Zebras" heil überstanden haben und für mindestens 150.000 km Lebensdauer sollen sie gut sein. Auch Außentemperaturen zwischen 70 Grad plus und 40 Grad minus sollen die Akkumulatoren, die selbst mit einer Mindestbetriebstemperatur von 270 Grad arbeiten und über eine Wärmespeicherfunktion für die Fahrzeugheizung verfügen, unbeeindruckt lassen.

Es bleibt zu hoffen, dass Hochleistungsbatterien künftig noch leichter, leistungsfähiger und preiswerter werden. Kostet eine in Kleinstserie gebaute "Zebra" heute noch rund 17.000 DM, soll der Akku bei größeren Stückzahlen in Serienproduktion nur noch mit etwa 5.000 DM zu veranschlagen sein.

Dieser Artikel aus der Kategorie OLDTIMER wurde von Jutta Bernhard am 01.07.2022, 14:50 Uhr veröffentlicht.