MOTOR-EXCLUSIVE

Andreas Reiners - 20. Juli 2020, 14:45 Uhr MOTORSPORT

Formel langweilig: Mercedes dominiert und Ferrari rätselt

Nach drei Saisonrennen dominiert Mercedes die Formel 1 schon wieder nach Belieben. Bei Ferrari brennt dafür der Baum - und das lichterloh. Das Bittere: Besserung ist für Sebastian Vettel nicht in Sicht.


Sebastian Vettel brachte die Situation in der Formel 1 auf den Punkt. Wie ist Titelverteidiger Lewis Hamilton nach seinem zweiten Sieg im dritten Saisonrennen in Ungarn noch aufzuhalten? "Wenn Valtteri Weltmeister wird", sagte Vettel und meint damit Valtteri Bottas - den Mercedes-Teamkollegen Hamiltons, der seinem siebten WM-Titel schon jetzt unaufhörlich entgegenfährt. Sonst ist tatsächlich niemand in Sicht. Für Mercedes mal wieder ein Ritterschlag, für den Rest ein Armutszeugnis und für die Formel 1 ein Problem.

In der WM-Wertung steht der Brite bei 63 Punkten, der Finne bei 58, doch die Dominanz, mit der Hamilton mal wieder die Gegner beherrscht, ist ebenso beeindruckend wie leider auch langweilig. "Das Auto und der Motor sind ein bisschen ein Biest, genau was wir brauchten. Es ist ein Auto, das Fahrer mögen", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Das Traurige: Einen echten Herausforderer, einen Spannungsbogen an der Spitze findet man erneut nicht, selbst Bottas ist keiner, der Hamilton dauerhaft gefährlich werden kann. 2020 dürfte es also bei einem normalen Verlauf wieder einsame Hamilton-Festspiele geben, der 35-Jährige würde bei einem siebten Titel mit Rekord-Champion Michael Schumacher gleichziehen.

Vettels Aussage zeigt aber auch, wie wehr- und hilflos Ferrari ist. Mercedes kommt auf 121 Zähler, der Abstand zu Red Bull beträgt schon 66 Punkten, die so stolze Scuderia liegt mit nur 27 Punkten sogar bereits 94 Zähler hinter dem Primus - und befindet sich in einer ausgewachsenen Krise.

"Unsere Normalität ist nicht gut genug", betonte Vettel, der Ferrari nach der Saison verlassen wird. "Es ist kein Geheimnis, dass wir derzeit nicht stark genug sind, um die Teams vor uns unter Druck zu setzen", so der Deutsche, der weiterhin ein Cockpit für 2021 sucht und Gespräche mit Racing Point führt. Das einstige Mittelfeld-Team ist neben McLaren aktuell stärker als Ferrari, wo der Baum lichterloh brennt.

Negativ-Höhepunkt: Hamilton überrundete in Ungarn sowohl Vettel als auch dessen Teamkollegen Charles Leclerc, in der Formel 1 die Höchststrafe. Immerhin: Nach zwei desaströsen Rennen in Österreich wurde Vettel in Ungarn Sechster. Mehr war nicht drin. Und ist auch vorerst nicht drin.

"Wir können die Lücke erst dann schließen, wenn wir verstanden haben, warum unser Auto so langsam ist", sagte Teamchef Mattia Binotto. Und bewies, wie tief im Dunkeln Ferrari tappt.

Er kündigte an, dass nun alles auf den Prüfstand kommt und kontrolliert wird: "Jeder wird seine Arbeit analysieren und den Mut haben müssen, den Kurs zu wechseln, wenn das notwendig ist, denn die aktuelle Dynamik ist nicht akzeptabel."

Es gebe keine andere Lösung, "um diese Situation in den Griff zu kriegen", so Binotto. Die Zeit ist aber knapp, denn bereits am 2. August geht es in Silverstone mit dem vierten Saisonrennen weiter. Im Grunde undenkbar, dass Ferrari die unfahrbare Fehlkonstruktion zu einem ernsthaften Sieganwärter umbauen kann.

"Rollen Köpfe?", fragte bereits die italienische "La Gazzetta dello Sport" und lieferte selbst die Antwort: "Ja, wenn es bedeutet, dass die verschiedenen Abteilungen besser funktionieren." Über Nachfolger wird bereits spekuliert. Doch selbst die können kurzfristig nicht zaubern. Die neue Normalität bei Ferrari, sie wird also erst einmal bleiben.

Andreas Reiners / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie MOTORSPORT wurde von Andreas Reiners am 20.07.2020, 14:45 Uhr veröffentlicht.