
Benjamin Bessinger/SP-X - 1. April 2025, 16:04 Uhr AUTOMOBIL
Fahrbericht: Porsche 911 Carrera S - Ab durch die Mitte
Porsche wetzt die Messer und schnitzt weiter an 911-Familie: Jetzt bekommt auch der Carrera S die Weihen und Vitamine des Facelifts und fährt als 992.2 in die zweite Halbzeit. Wie es sich für einen Sportwagen gehört, sogar mit einem Superlativ.
Porsche beweist beim 911 mal wieder Familiensinn. Nein, nicht dass die Schwaben in dieser Baureihe an Kind und Kegel denken würden. So weit geht die Liebe dann doch nicht. Aber dafür schauen sie in den eigenen Reihen nach dem Rechten und bringen ihre Modellfamilie weiter auf den neuesten Stand. Nachdem sie im letzten Jahr mit dem Carrera, dem erstmals hybridisierten GTS und dem GT3 begonnen haben, kommt nun der Carrera S an die Reihe. Pünktlich zum Start in den Autofrühling wechselt auch er in die Generation 992.2 und steht frisch geliftet für 154.800 Euro als Coupé oder für 169.000 Euro als Cabrio bei den Händlern. 
Wie es sich für eine Frischzellenkur bei einem Sportwagen gehört, gibt’s dabei vor allem mehr Kraft. Wichtiger als die Retuschen an Schürzen und Scheinwerfern sind die neuen Turbos und die neue Ladeluftkühlung für den drei Liter großen Boxer, den sie in Zuffenhausen mittlerweile schon zur Ikone geadelt haben. Zusammen mit ein bisschen Feinschliff an der Steuerung und ein paar neuen Zeilen Software steigt die Leistung des Sechszylinders von 450 auf 480 PS und erreicht so das Niveau des bisherigen GTS. Damit schließen die Schwaben nicht nur die Lücke zwischen den 394 PS des Basismodells und den 541 PS des neuen GTS, sondern sichern dem Neuling auch gleich noch einen Superlativ: Denn der überarbeitete Motor verkürzt den Sprintwert auf 3,3 Sekunden und macht das 308 km/h schnelle Derivat zum „stärksten und dynamischsten Carrera S aller Zeiten“ - zumindest, bis es irgendwann in drei, vier Jahren eine komplette Neuauflage gibt. Ach ja: Und ein bisschen sparsamer (10,3 Liter WLTP) wird der Kraftmeier beim Facelift obendrein, so dass sich das schlechte Gewissen für den Lustgewinn in engen Grenzen hält. 
Aber Porsche wäre nicht Porsche, wenn es die Schwaben beim Motortuning belassen würden. Sie drehen auch an ein paar anderen Stellschrauben für den Spaß auf Straße und Strecke, montieren zum Beispiel Bremsen mit rot leuchtenden Sätteln und vor allem mehr Biss, bauen das im Basismodell nicht verfügbare Torque Vectoring ein und haben natürlich ein Sportfahrwerk mit nochmal einem zentimeter weniger Bodenfreiheut sowie eine Keramikbremse im Angebot. Und damit den Athleten auch ja jeder als solchen erkennt, brüllt der Boxer durch einen Sportauspuff. .
Das Ergebnis ist ein ausgesprochen einnehmendes Wesen, das den Fahrer schon auf den ersten Metern zum Komplizen macht und den Puls mit jeder Kehre weiter in die Höhe treibt. Fahren, einfach nur um anzukommen, gelingt in diesem Elfer kaum. Engagiert greift man ins Lenkrad, nähert sich Kurve für Kurve der Idealline, bremst später, beschleunigt früher und lässt dabei die Füße über die Pedale fliegen, wie Fred Astaire beim Tap-Dance - bis die Hand auf dem Mitteltunnel irgendwann enttäuscht ins Leere greift. Denn ausgerechnet der Handschalter ist mit dem Facelift Geschichte und statt eines echten Wählhebels ragt für die Automatik nur noch ein kleiner Stummel aus der aufgeräumten Konsole. 
Man braucht zwar ein sehr sensibles Popometer, um die Unterschiede zum Vorgänger herauszufahren. Und weil ja auch der Basis-Elfer nicht eben untermotorisiert ist, stellt sich klugen Rechnern die Frage, ob der Leistungssprung und das S im Kürzel einen Preissprung von 26.000 Euro gegenüber dem 911 Carrera wirklich wert ist. Aber bei einem Sportwagen spielt die Psychologie mindestens eine genauso große Rolle wie die Physik. Und egal ob sehr schnell oder sauschnell, scharf oder messerscharf, brutal oder brachial schmeichelt dieser Elfer dem Ego. Denn wer sich den S kauft, der kann allen beweisen, dass es eben nicht nur gerade so für die Basis gereicht hat, sondern man sich ein bisschen mehr Leistung leisten kann. Und Streicheleinheiten kann das Ego ja gar nicht genug haben. Selbst wenn man sie teuer bezahlen muss. 
Porsche 911 Carrera S  – Technische Daten:
Zweitüriges, viersitziges Coupe; Länge: 4,54 Meter, Breite: 1,85 Meter (Breite mit Außenspiegeln: k.A.), Höhe: 1,30 Meter, Radstand: 2,45 Meter, Kofferraumvolumen: 135 Liter
Zweitüriges, viersitziges Cabriolet; Länge: 4,54 Meter, Breite: 1,85 Meter (Breite mit Außenspiegeln: k.A.), Höhe: 1,30 Meter, Radstand: 2,45 Meter, Kofferraumvolumen: 135 Liter
3,0-Liter-Sechszylinder-Turbo; 353 kW/480 PS, maximales Drehmoment: 530 Nm, Heckanntrieb, Achtgang-Doppelkupplung, 0-100 km/h: 3,3 s (Cabrio: 3,5 s) Vmax: 308 km/h, Normverbrauch: 10,3 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 233 g/km, Abgasnorm: Euro 6d, Effizienzklasse: G, Preis: ab 154.800 Euro (Coupé), 169.000 Euro (Cabrio)
Porsche 911 Carrera S   - Kurzcharakteristik:
Warum: weil genug nie genug ist 
Warum nicht: Weil auch ein bisschen weniger noch mehr als genug ist
Was sonst: Den Basis-Elfer oder gleich den GTS 
Wann kommt er: sofort 
Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Benjamin Bessinger/SP-X am 01.04.2025, 16:04 Uhr veröffentlicht.