
Rudolf Huber/SP-X - 8. April 2025, 15:58 Uhr AUTOMOBIL
Fahrbericht: Land Rover Defender Octa - Kraftprotz mit feinen Manieren
In das stärkste Modell der Defender-Baureihe hat Land Rover einen potenten V8-Antrieb eingebaut. Der Octa wird damit zum höher gelegten Dynamik-Crack, der auch im Offroad-Einsatz keine Schwächen zeigt.
Regulär war beim Defender bisher bei 500 Pferdestärken Schluss. Mit dem Octa, benannt nach der Oktaeder-Form geschliffener Diamanten, gibt es noch einmal einen ordentlichen Leistungs-Nachschlag: 467 kW/635 PS leistet der hybridisierte V8-Zylinder mit Biturbo-Technik aus einem Hubraum von 4,4 Litern aus dem Hause BMW. Dass der dem stattliche 2.671 Kilo schweren, knapp 190.000 Euro teuren und ziemlich genau fünf Meter langen Briten zu beeindruckenden Fahrleistungen verhilft, ist keine große Überraschung. Der Allradler sprintet im Idealfall in 4,0 Sekunden auf Tempo 100, mit dem „schnellsten“ Radsatz, also mit 22-Zoll-Rädern und spezieller Bereifung, beträgt die Spitze 250 km/h. Dazu gibt es noch 20-Zoll-Trail-Terrain-Reifen (210 km/h) und eine gleich große Advanced All-Terrain-Bereifung, die auf 160 km/h limitiert ist. Man sieht schon: Der Aufwand bei Entwicklung und Homologation des Kraftprotzes in der Defender-Familie war auch und gerade im Detail hoch.
Wie fühlt sich das an, wenn 635 PS den hoch gebauten Fünfsitzer ordentlich in Schwung bringen? Klare Antwort: ziemlich eindrucksvoll. Der Sound bei voller Beschleunigung aus dem Stand ist satt und dunkel, nimmt mit steigender Drehzahl an Intensität zu. Die Passagiere werden kräftig in die belederten Sitze gepresst, die Hinterköpfe nehmen Kontakt mit den Kopfstützen auf. Und das alles gefühlt mindestens eineinhalb Stockwerke über dem bei vergleichbaren Vorgängen gewohnten Niveau. Das maximale Drehmoment von 750 Nm liegt schon bei 1.800 U/min an und hält bis knapp vor die 6.000er-Marke durch, wer den Dynamic Launch-Modus aktiviert, kann sogar 800 Nm abrufen. Auch das ist im Octa eine ganz spezielle Erfahrung nach dem Motto: Es darf gerne noch ein bisschen mehr sein!
Auf festem Terrain ist das aufwendige Octa-Fahrwerk je nach gewähltem Fahrmodus zwischen komfortabel und sportlich straff angesiedelt. Letzteres empfiehlt sich, wenn es wie bei den ersten Testfahrten mit dem Power-Defender mit den „langsamen“ All-Terrain-Reifen zügig bis sehr zügig über kurvenreiche Landstraßen dritter und vierter Ordnung geht. Also kurz die Taste mit dem Oktaeder-Symbol gedrückt, und der Octa spannt die Muskeln bei Antrieb und Fahrwerk. Solange es irgend geht, schiebt er sich mit nur minimaler Wankneigung durchs enge Geläuf und ermöglicht so in Relation zu seinem Gewicht enorm hohe Kurvengeschwindigkeiten. Erst wenn es der Mensch am Steuer ernsthaft übertreibt, greifen die Regelsysteme sanft, aber wirkungsvoll ins querdynamische Geschehen ein. Dabei bleibt der Defender immer Gentleman mit feinen Manieren. Prollige Darbietungen würden auch nicht zu ihm passen.
Wenn es dann vom Asphalt ins Gelände geht, spielt der an Karosserie, Dach und Boden verstärkte Defender Octa seine gegenüber den Serien-Brüdern nochmals erheblich intensivierten Offroad-Talente virtuos aus. Man könnte auch sagen: Wo das Standard-Modell aufgibt, fängt im Otca der Spaß erst so richtig an. Der Grund: Erstmals kommt bei ihm das völlig neu aufgebaute, von Land Rover 6D Dynamics genannte Fahrwerksystem mit hydraulisch verbundenen Dämpfern zum Einsatz. Dadurch, und dank massiver Überarbeitungen an der Hardware und an der Lenkgeometrie, kombiniert mit einer Höherlegung um 2,8 Zentimeter und der 6,8 Zentimeter breiteren Spur, läuft der Brite auf rauem und rauestem Untergrund erst so richtig zur Bestform auf. Im Detail wurden ihm beispielsweise längere und härtere Querlenker und aktive Stoßdämpfer mit separaten Druckspeichern implantiert. Das erhöht die maximale Achsverschränkung im Gelände und reduziert die Karosserieneigung deutlich. Mechanik und Elektronik sorgen im Verbund dafür, dass jedes Rad auch in extremen Situationen den maximal möglichen Bodenkontakt hält – und damit das Fortkommen ermöglicht oder erleichtert.
Wird die Oktaeder-Taste am Lenkrad länger gedrückt, schalten die Systeme auf den optisch rot unterlegten Octa-Modus. Das ist der erste seiner Art bei Land Rover, der im Gelände den Schwerpunkt auf Performance legt. Gleichzeitig werden die Offroad Launch-Anfahrhilfe und das Offroad-ABS aktiviert – für beste optimale Ergebnisse bei der Beschleunigung und beim Verzögern auf losem Untergrund. Klingt eher theoretisch, ist aber in der Realität deutlich zu spüren: Der Octa ist auch im krass unwegsamen Gelände flink und souverän unterwegs, empfiehlt sich für die ganz schnellen Rallye-Tracks ebenso wie als Klettermeister in Geröll und Fels. Unterstützt wird er dabei vom bekannten Terrain Response-System mit den Modi Gras/Schotter/Schnee, Schlamm, Sand oder Felsen. Und vom ClearSight Ground View, der dank geschickter Kamera-Software die Motorhaube „durchsichtig“ werden lässt.
Außen unterscheidet sich das Spitzenmodell etwa durch breitere Radkästen, ein neues Kühlergrill-Design und einen neuen Heckstoßfänger mit vierflutiger Auspuffanlage vom Standard-Defender. Neu sind auch die Farbtöne Petra Copper und Faroe Green. Innen erwartet die Passagiere je nach Geschmack oder Ausstattungsversion Kunst- oder Semianileder in unterschiedlichen Farbtönen. Die vorderen Sitze sorgen für ein mehrdimensionales Audio-Erlebnis, sie bieten verschiedene Wellness-Programme – eines davon soll sogar der Verbesserung kognitiver Fähigkeiten dienen. Anders ausgedrückt: Es soll schlauer machen.
187.600 Euro verlangt Land Rover für seinen schnellen und starken Defender. Viel Geld, dem hohe Unterhaltskosten folgen – etwa für den Sprit. 18,5 Liter genehmigte sich der 2,6-Tonner schon bei der Onroad-Tour ohne übertriebene Schnellfahrerei. Und das zwingt den Blick aufs Thema zeitgemäße Nachhaltigkeit. In diesem Kapitel sieht es eher duster aus. Allerdings ist ja angesichts der Preisgestaltung nicht zu erwarten, dass sich die Octa-Population übermäßig verbreitet.
Land Rover Defender Octa – Technische Daten:
Fünftüriger Geländewagen; Länge: 5,00 Meter, Breite: 2,06 Meter (Breite mit Außenspiegeln: 2,11 Meter), Höhe: 2,00 Meter, Radstand: 3,02 Meter, Kofferraumvolumen: 972 - 1.875 Liter
Antrieb: 4,4-Liter-V8-Mildhybrid-Biturbobenziner, 467 kW/ 635 PS, maximales Drehmoment: 750 Nm bei 1.800 - 5.855 U/min, im Launch-Modus 800 Nm, Allradantrieb, Achtgang-Automatik, 0 - 100 km/h: 4,0 s, Vmax: 250 km/h, Normverbrauch (WLTP): 13 -13,5 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 294 - 304 g/km, Abgasnorm: Euro 6e, Effizienzklasse: G; Preis: ab 187.600 Euro
Kurzcharakteristik
Warum: weil er jede Menge Power mit enormem Offroad-Talent kombiniert
Warum nicht: weil sein Verbrauch nicht mehr zeitgemäß ist
Was sonst: BMW X5 M Competition, Mercedes G 63 AMG, Porsche Cayenne Turbo, Jaguar F-Pace SVR
Wann kommt er: schon im Handel
Dieser Artikel aus der Kategorie AUTOMOBIL wurde von Rudolf Huber/SP-X am 08.04.2025, 15:58 Uhr veröffentlicht.