MOTOR-EXCLUSIVE

Andreas Reiners - 23. Oktober 2020, 11:43 Uhr MOTORSPORT

DTM: Es ist Musik drin im Titelkampf

Der DTM-Titelkampf wurde in Zolder auf den Kopf gestellt, Titelverteidiger Rene Rast hat nun wieder die besten Chancen. Wenn das Finale überhaupt stattfindet.


Es kommt selten vor, dass Nico Müller die Contenance verliert. Der Schweizer ist stets höflich, zuvorkommend, auch kritische Fragen lächelt der Audi-Fahrer weg. Als ihm sein Markenkollege Jamie Green beim vergangenen Rennen in Zolder aber im Weg stand, kippte die Stimmung.

Freundlich übersetzt schrie Müller "verdammter Idiot" in den Funk und bescheinigte dem 38 Jahre alten Briten in einem Interview nach dem Rennen, dass seine besten Zeiten in der DTM wohl vorbei seien. Ein echter emotionaler Ausbruch in dem bis dato so langweilig-höflich verlaufenen Titelkampf. Was beweist: Es ist kurz vor der Ziellinie endlich Feuer drin. Und die Protagonisten zeigen Nerven.

Bei Müller ist das sogar nachvollziehbar, denn man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Er hatte vor dem Double Header in Zolder mit den vier Rennen binnen neun Tagen 47 Punkte Vorsprung auf Titelverteidiger Rene Rast. Ärgster Widersacher schien Teamkollege Robin Frijns zu sein, der 18 Zähler hinter Müller lag.

Doch vier Rennen später stellte Rast das Geschehen auf den Kopf. Er holte in Belgien 109 von 112 möglichen Punkten, gewann alle vier Läufe und setzte sich vor dem Finale in Hockenheim (6. bis 8. November) an die Spitze der Gesamtwertung. Er hat jetzt 19 Punkte Vorsprung auf Müller. Frijns hat als Dritter mit 41 Zählern nur noch rechnerische Chancen. 56 Punkte gibt es in Hockenheim maximal noch zu holen.

Auch wenn plötzlich alles gegen ihn läuft: Müller will zurückschlagen. "Jetzt heißt es All in! Ich freue mich auf Hockenheim und sehe keinen Grund, wieso wir Rene dort das Leben nicht schwer machen können. Ich bin jetzt zum ersten Mal der Verfolger, da gibt es nur volle Attacke. Ich werde alles geben, um den Titel zu holen", sagte Müller, der seit dem ersten Rennen in Spa die Gesamtführung inne hatte und sie am vergangenen Samstag erstmals verlor. Bezeichnend: Er reibt sich inzwischen in Nebenkriegsschauplätzen auf wie mit Green oder hadert mit dem Schicksal, das aktuell offenbar gegen ihn ist.

Beim Meister hingegen wirkt das Momentum regelrecht beflügelnd, Rast gelingt alles, und das spielerisch leicht. Den Höhenflug, auf dem Müller durch sechs Rennwochenenden ritt, hat jetzt Rast übernommen. "Es ist unglaublich: Alle vier Rennen in Zolder gewonnen, nahezu die maximalen Punkte erreicht - das ist völlig unerwartet", sagte Rast.

Er ist bekannt für seine Aufholjagden, gerechnet hatte er aber nicht mehr damit. Doch das zunehmend herbstlichere Wetter kommt seinem Fahrstil entgegen, "Offensichtlich komme ich mit kühleren Temperaturen etwas besser zurecht. Daher hoffe ich, dass es beim Finale in Hockenheim keine 30 Grad sein werden", scherzte er. Beste Aussichten also. Wenn es denn überhaupt zu einem Finale kommt.

Denn die steigenden Corona-Zahlen sorgen dafür, dass die Veranstaltung wackelt. 11.242 Neuinfektionen vermeldete das Robert-Koch-Institut für Deutschland, davon 1.950 in Baden-Württemberg. Am vergangenen Montag war in dem Bundesland deshalb die Pandemiestufe 3 ausgerufen worden. Wie es weitergeht? Ist so offen wie der Titelkampf.

Andreas Reiners / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie MOTORSPORT wurde von Andreas Reiners am 23.10.2020, 11:43 Uhr veröffentlicht.