MOTOR-EXCLUSIVE

Andreas Reiners - 29. Oktober 2020, 11:50 Uhr MOTORSPORT

So arbeitet der Kopf eines Formel-1-Piloten

Rennfahrer reagieren innerhalb von Millisekunden, wenn bei 250 Stundenkilometern auf der Strecke etwas Unerwartetes passiert. Doch bringt ihnen das auch etwas in anderen Situationen, die eine schnelle Reaktion erfordern? Funktionieren die grauen Zellen eines Formel-1-Piloten also besonders gut?


Rennfahrer reagieren innerhalb von Millisekunden, wenn bei 250 Stundenkilometern auf der Strecke etwas Unerwartetes passiert. Doch bringt ihnen das auch etwas in anderen Situationen, die eine schnelle Reaktion erfordern? Funktionieren die grauen Zellen eines Formel-1-Piloten also besonders gut? Eine Studie aus der Heimat von Ferrari hat diese Frage genauer untersucht.

Das Team um Hirnforscher Giulio Bernardi von der Universität Pisa warb dazu elf Profi-Rennfahrer sowie elf weitere Versuchspersonen an, die den Profis in Alter und anderen Merkmalen ähnlich waren, jedoch keine Autorennen fuhren. Sie alle sollten, während sie in einem Hirnscanner lagen, einfache Reaktionsaufgaben erledigen, zum Beispiel so schnell wie möglich einen Knopf drücken, sobald Punkte auf einem Bildschirm die Farbe wechselten.

Das gelang beiden Gruppen ungefähr gleich gut. Bei beiden waren zudem dieselben Hirnregionen aktiv, die unter anderem zuständig sind für Aufmerksamkeit, räumliches Sehen und Bewegungssteuerung. Aber bei den Profis waren die beteiligten Strukturen in diesen Regionen kleiner und stärker miteinander verbunden.

Eine weitere Besonderheit: Bei den Rennfahrern schwankte die Aktivität in den beteiligten Strukturen stärker und systematischer als bei den Kontrollpersonen. Das werteten die Forschenden als Hinweis darauf, dass diese Areale koordinierter arbeiten. Eine schwankende Aktivität in der Großhirnrinde gilt auch als Merkmal eines jungen, leistungsfähigen Gehirns. Nimmt die Schwankungsbreite mit dem Alter ab, deutet das auf ein vermindertes Leistungsvermögen hin.

Also ab auf den Nürburgring zum Gehirntraining? Der promovierte Psychologe Ralf Buchstaller vom TÜV Nord hält das für unnötig: "Man braucht keine Rennstrecke, um die grauen Zellen fit zu halten. Jede Art von Training hilft, sofern es Konzentration und koordinierte Bewegungen erfordert."

Bei Golfprofis etwa sind die fürs Spielen benötigten neuronalen Netzwerke effizienter organisiert, wie ein Forschungsteam der University of Chicago beobachtete. Ähnliche Übungseffekte fanden Neurologen der Technischen Hochschule Aachen auch bei Musikstudierenden, die mehr als 20 Stunden pro Woche am Klavier saßen. "Auf den ersten Blick haben die drei Disziplinen zwar wenig gemeinsam", sagt Buchstaller. "Doch bei Profis im Rennfahren, Golf und Klavierspiel arbeiten bestimmte Hirnregionen ähnlich - nämlich höchst koordiniert und effizient."

Dieser Artikel aus der Kategorie MOTORSPORT wurde von Andreas Reiners am 29.10.2020, 11:50 Uhr veröffentlicht.