MOTOR-EXCLUSIVE

Mario Hommen/SP-X - 27. Januar 2021, 07:41 Uhr Pedelec

Test: Tern GSD R14 - neues Topmodell der Generation 2 - Multitalentiertes E-Muli

Nein, R14 steht nicht für ein neue Modell von Renault, sondern für die imposant bestückte Topausstattung des Lasten-E-Bikes GSD. Die ist allerdings in etwa so teuer wie das günstigste Auto von Renault.

Lastenräder gelten mittlerweile als ökologische Alternative zum Auto. Preislich sind sie es oft allerdings nicht. Wie etwa im Fall des neuen Tern GSD R14, das mit rund 8.400 Euro lediglich 100 Euro weniger als der von Renault-Tochter Dacia neu aufgelegte Sandero kostet, der den aktuell günstigsten Einstieg in die Autowelt markiert. Doch während der günstige Basis-Sandero zugleich als Symbol für eine rollende Verzichtserklärung steht, bewegt sich das kompakte wie vielseitig nutz- und belastbare Topmodell der frisch überarbeiteten GSD-Reihe in nahezu jeder Hinsicht auf Topniveau. Und dieser Umstand macht in der Testpraxis in mehrfacher Weise Eindruck.

Einen großen Eindruck hat bereits die sperrige und schwere Transportbox gemacht, in der das fast 1,80 Meter lange Cargorad geliefert wurde. Bereits ohne die vielen möglichen Gepäcklösungen bringt das GSD R14 nämlich stolze 37 Kilogramm auf die Waage, weshalb für das Heben aus der Kiste auch zwei Personen nötig waren. Kommen erschwerend noch große Cargotaschen, eine Sitzbank mit Lehne, die Lenker-Attrappe für den hinteren Passagier sowie der große Frontgepäckträger hinzu, wird man definitiv keine Freude daran finden, das GSD etwa eine Treppe hinaufzutragen. Entsprechend des üppigen Gewichts hat Tern für dieNeuauflage einen zweifüßigen Mittelständer entwickelt, der nicht nur für einen soliden Stand, sondern außerdem noch für Rätsel sorgt. Erst als wir am Ständer einen Seilzug entdecken, der zu einem Entriegelungshebel am Lenkrad führt, können wir das störrische Einspur-Muli aus seiner sicheren Parkposition bugsieren.

Und trotz der vielen Kilos lässt sich das GSD dank E-Antrieb dann sogar locker weiterbewegen. Ein Knopfdruck auf dem großen und abnehmbaren Intuvia-Display aktiviert die speziell auf Cargo-Einsätze ausgelegte Bosch-Maschine, die über einen extralangen Riemenantrieb ihre Kraft an ein mit elektronischer Rohloff-Nabenschaltung gerüstetes Hinterrad leitet. 14 Gänge? Und dann noch elektrisch? Was für ein Pedelec übertrieben klingen mag, erweist sich in der Lastenrad-Praxis als durchaus sinnvoll. Auf ebenem Terrain wird man auf die ersten sechs oder sieben Übersetzungsstufen praktisch verzichten, doch geht es steiler bergauf, ist man dankbar, dass gleich mehrere Stufen zur Wahl stehen, mit denen sich die schwere Fuhre auch an steilen Gipfeln mit respektablem Tempo hochprügeln lässt. Ein für nahezu jeden Anstieg passender Gang wird ziemlich sicher dabei sein. Der lediglich bei hoher Last deutlich hörbar surrende Cargo-Motor schiebt eigentlich in jeder Situation souverän an, maximal sind allerdings nur 25 km/h drin, gelegentlich auch ein paar km/h mehr. Dank lang übersetzter Gänge kann auf Wunsch die Trittfrequenz sehr niedrig ausfallen. Der kurze Daumendruck auf den Gangwahlschalter am Lenker sorgt, begleitet von einem typischen Servosurren, für den schnellen und präzisen Gangwechsel. Auch Gangsprünge sind möglich. Bei einer Rohloffschaltung kann man leicht den Überblick verlieren, doch praktischerweise informiert das Display am Lenker darüber, welche Übersetzungsstufe eingelegt wurde. Praktisch außerdem: Wer bei einem plötzlichen Halt das Runterschalten vergisst, wird auch hier von der smarten Technik unterstützt, die dank ,,Automatic Downshift" auf einen vom Fahrer definierten Anfahr-Gang automatisch runterschaltet.

Neben der rundum souveränen Antriebstechnik hat Tern außerdem noch für das R14 eine souveräne Akkulösung gewählt, denn hier kommt der 500-Wh-Riegel von Bosch gleich im Doppelpack zum Einsatz. Selbst im Winter ist somit eine Reichweite auf dreistelligem Niveau garantiert. Laut Tern sollen sogar bis 250 Kilometer möglich sein. Wir haben während eines mehrwöchigen Tests jedenfalls kein einziges Mal zwischendurch nachladen müssen. Ein sicheres Polster fühlt sich in diesem Fall auch gut an, weil die Akkus während einer Tour definitiv nicht schlapp machen dürfen. Das GSD allein mit Muskelkraft anzutreiben, wird niemandem Freude bereiten.

Dank XXL-Akku könnte sich das GDS auch als Reiserad eignen. Dank großzügiger Gepäcklösungen und hoher Reichweite wäre auch ein Zelturlaub in weitere Ferne mit Kindern und viel Geraffel denkbar. Für längere Touren gewiss nicht jedermanns Sache ist allerdings die betont aufrechte Sitzposition, die man auf dem GDS einnimmt. Als wiederum angenehm erwiesen sich im Alltagseinsatz - egal ob auf langen Touren oder im Stadtverkehr - die komfortabel gefederte "Thudbuster ST"-Sattelstütze von Cane Creek, eine Federgabel vorne sowie die voluminösen Schwalbe-Reifen. Härten verlieren so ihren Schrecken. Eindeutig überzeugen können auch die Magura-MT5-Stopper mit Vierkolben-Bremssattel, die angesichts eines Gesamtgewichts von bis zu 200 Kilogramm auch kräftig zupacken müssen. Ebenfalls für viel Vertrauen sorgt der besonders stabile Geradeauslauf des GSD. Anders als manches andere Modell aus dem Hause Tern ist das Flaggschiff des Herstellers aus Taiwan allerdings kein wilder Kurvenfeger, welches man lustvoll und mit reichlich Schräglage um enge Ecken scheucht. Ein Lastenrad ist eben ein Lastenrad.   

Auch mit einigen anderen Detaillösungen hinterlässt das GSD einen gediegenen Eindruck. Dazu gehören die großzügigen Verstellbereiche für Lenker und Sattel, die LED-Lampen mit einem Fernlicht-fähigen Superscheinwerfer oder das Abus-Speichenschloss am Vorderrad, dessen Schlüssel auch für die Akkus passt.

Besonders loben muss man schließlich noch die vielen praktischen Transportlösungen, die Tern für das GSD anbietet. 104 Liter passen etwa in die bei Nichtgebrauch flach ans Rad fixierbaren Textiltaschen. Sind diese am Heck montiert, können dennoch gleichzeitig zwei Kinder oder alternativ auch ein Erwachsener hinten mitreisen. Statt der Sitzgelegenheiten lässt sich am langen Heck auch ein großer Gepäckträger montieren, der eine passgenaue Aufnahme für Euroboxen bietet. Mit einigen dieser Extras kann der Preis für ein neues R14 leicht auch über 9.000 Euro liegen. Im Fall des Dacia Sandero reicht das übrigens für die mittlere Ausstattung ,,Essential" und ein Multimedia-System.

Dieser Artikel aus der Kategorie Pedelec wurde von Mario Hommen/SP-X am 27.01.2021, 07:41 Uhr veröffentlicht.