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Formel 1: Das Warten auf die Wachablösung
mid Groß-Gerau - Die Formel 1 startet wieder: Wird Branchenprimus Mercedes abgelöst? Daimler
MOTORSPORT
Andreas Reiners - 25. März 2021, 11:42 Uhr MOTORSPORT

Formel 1: Das Warten auf die Wachablösung

Das Warten hat ein Ende: Am Wochenende geht es in Bahrain in die mit 23 Rennen längste Saison der Formel-1-Geschichte. Dabei hoffen alle Beteiligten auf einen spannenderen Titelkampf. Die Chancen dafür stehen gut.


Mercedes, immer wieder Mercedes. Die Dominanz der Silberpfeile hat in der Formel 1 jahrelang für eine unterschwellige Langeweile gesorgt. Seit 2014 holte Mercedes in jedem Jahr den Titel, bis zum Ende einer Saison herausfordern konnte das Team niemand. In den letzten Jahren, seit dem Rücktritt von Nico Rosberg nach seinem Titelgewinn 2016, hatte Serien-Weltmeister Lewis Hamilton nicht einmal mehr große Gegenwehr aus dem eigenen Stall, denn Valtteri Bottas ist mehr Helfer denn Herausforderer.

Die Hoffnung heißt jetzt Red Bull Racing: Die Testfahrten vor knapp zwei Wochen hinterließen den Eindruck, dass das einstige Weltmeisterteam Primus Mercedes angreifen kann. Und das bereits beim Auftakt in Bahrain. Der Grund für den Optimismus war nicht nur der starke Auftritt von Red Bull Racing, sondern der schwache und fehlerbehaftete von Mercedes.

Der Silberpfeil war nicht so zuverlässig und standfest wie sonst, außerdem hat Mercedes mit den zum Saisonstart eingeführten Aerodynamik-Veränderungen zu kämpfen. "Es sieht so aus, als würde der Heckflügel, der extrem wichtig für ein stabiles Heck ist, nicht immer optimal vom Fahrtwind angeströmt. Wir reden hier also von einem Problem der Aerodynamik. Ich weiß, dass so etwas nicht ganz einfach zu lösen ist", sagte Sky-Experte Ralf Schumacher bei Sport1: "Sie müssen die Probleme jetzt so schnell wie möglich in den Griff bekommen, sonst wird es eng im Vergleich mit Red Bull."

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff vertraut auf die Stärke seiner Mannschaft. Denn schon früher galt: Wurde Mercedes unter Druck gesetzt, schlug das Team umso beeindruckender zurück. "Der neue W12 war nicht so stabil und berechenbar und lag nicht so gut wie die Autos einiger unserer Konkurrenten", so Wolff. "Aber wie wir aus der Vergangenheit wissen, lernen wir aus den schwierigen Momenten am meisten."

Beim Herausforderer kann man eine gewisse Vorfreude und Aufregung nicht verhehlen, beim Rennstall weiß man aber auch, dass in der Formel 1 vor der Saison gerne Verstecken gespielt wird. "Es lässt sich nicht leugnen, dass nach dem reibungslosen Ablauf des dreitägigen Tests in Bahrain eine gewisse Aufregung herrscht, dass wir die siebenjährige Dominanz von Mercedes in der Formel 1 beenden könnten", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Man dürfe aber nicht unterschätzen, wie groß diese Herausforderung sei, so der Brite. Fakt ist: Während der Silberpfeil vor sich hin stotterte, lag der Red-Bull-Renner wie ein Brett auf der Strecke. Weshalb Motorsportberater Helmut Marko sogar davon spricht, dass man die beste WM-Chance seit 2013 habe. "Ich sehe mich überhaupt nicht als Favorit", stellte Max Verstappen hingegen bei "Ziggo Sport" klar. Er glaubt sogar, dass Mercedes geblufft hat und erwartet in Bahrain weiterhin starke Silberpfeile: "Jetzt, wo es am Anfang mal nicht ganz glatt gelaufen ist, versuchen sie uns in die Favoritenrolle zu schieben. Und wenn sie dann am Ende trotzdem gewinnen, dann war es natürlich ein total unerwarteter Geniestreich."

Nach einem desaströsen letzten Jahr bei Ferrari hofft Sebastian Vettel mit Aston Martin auf einen Neustart. Doch der droht nach einem Stotterstart bei den Testfahrten zu einem Fehlstart zu werden.

Denn Vettel drehte in Bahrain bei den Tests die wenigsten Runden. "Was Schlimmeres konnte ihm nicht passieren: Wenn du in einem neuen Team fährst, brauchst du am Anfang vor allen Dingen eins: Kilometer, Kilometer, Kilometer", sagte Ralf Schumacher. Vettel brauche eine optimale Vorbereitung, so Schumacher: "Ich glaube trotzdem, dass er eine großartige Saison haben wird. Aber durch die Probleme beim Test werden wir das vielleicht noch nicht beim Saisonauftakt erleben." Fakt ist: Vettel merkt man die Vorfreude an, man sieht, dass er sich wohlfühlt, dass das Umfeld endlich wieder stimmt. Fakt ist auch: In so einer Situation kann der 33-Jährige immer noch seine Bestleistung abrufen.

Der Heppenheimer ist entspannt. Er gibt zu, dass vor zehn Jahren Panik aufgekommen wäre. "Ich bin jetzt schon so lange dabei. Da beschäftigt einen das nicht mehr so sehr", sagte er. "Es ging jetzt etwas holprig los, aber die Saison ist ja noch lang. Ich bin sicher, dass wir all die kleinen Probleme lösen können."

Man darf nicht vergessen: Aston Martin war im Vorjahr unter dem Namen Racing Point vierte Kraft, nahezu gleichauf mit McLaren. Trotz der Änderungen wird der Rennstall auch 2021 vorne bei der Musik mitspielen. "Ich muss erst noch verstehen, wie das Auto gefahren werden will. Ich muss praktisch die Unterschiede zwischen meiner Vergangenheit und meiner Zukunft herausfinden", sagte Vettel. Er geht von einer steilen Lernkurve aus und davon, dass man innerhalb von fünf Rennen auf Tempo sein sollte.

30 Jahre nach seinem Vater feiert auch Mick Schumacher sein Debüt in der Formel 1. Viel wurde gesagt, viel wurde geschrieben - der 22-Jährige kann es kaum noch erwarten, dass es endlich losgeht, dass das Abenteuer endlich startet. Sein Vater landete bei seinem Debüt im Qualifying auf Startplatz sieben, bei Mick muss man davon ausgehen, dass er in der Regel am Ende des Feldes zu finden sein wird - zu schwach ist der Haas-Renner. Micks erster Gegner ist also der Teamkollege, der Russe Nikita Mazepin. Fest steht: Der Rummel um seine Person wird groß, die Erwartungen sollten es nicht sein, denn 2021 wird nichts anderes als ein Lehrjahr sein.

Schumacher will nicht mehr warten. Sondern nur eines: Rennen fahren. "Wenn ich darüber nachdenke, ist es 30 Jahre her, dass mein Vater sein erstes Rennen gefahren ist, und jetzt starte ich meins. Die Tatsache, dass ich in der Formel 1 bin und Rennen fahre - das fühlt sich so unglaublich an. Ich bin so glücklich, dass ich endlich da bin, endlich mit allen Rennen fahren, mein Potenzial zeigen und mit einem großartigen Team zusammenarbeiten kann. Ich werde als Fahrer und als Mensch lernen und mich verbessern", sagte er.

Sein Teamchef Günther Steiner ist voll des Lobes, er hatte nicht erwartet, "dass die Fahrer so gut vorbereitet und bereits jetzt auf diesem Niveau sind. Im Team hat es eine gute Atmosphäre geschaffen. Jetzt müssen wir schauen, das über die Saison zu bringen. Aber sie werden so viel lernen und so viel schneller werden. Aber wir sind positiv überrascht", sagte Steiner und meinte neben Mick auch dessen Teamkollegen Mazepin. Das Duell der Beiden wird eines mit Würze sein.

Andreas Reiners / mid

Dieser Artikel aus der Kategorie MOTORSPORT wurde von Andreas Reiners am 25.03.2021, 11:42 Uhr veröffentlicht.